den Ort wo der Anker liegt, da sie gerade über ihm schweben, vermöge des Seils, das sie an ihn knüpft. Die hohen Masten, das regelmäßige Tau- werk, die zierlich gefalteten Segel geben der Ge- stalt etwas Geputztes, etwas Vollendetes; der feste Kern geht so allmählig in die farbiger fallen- den Wimpel aus, das lange Bogsprint ragt über die Welle, und scheint das ganze Gebäude beinahe schwebend zu erhalten über dem gefährlichen Ele- mente, auf dem es ruht. Dann sitzen die Ma- trosen so heimlich und häuslich auf dem Verdeck, auf dem Raan rutscht eine Menschengestalt so wohlgemuth und nachläßig, wie euer kleiner Bru- der, wenn er in dem Gipfel der hohen Ulmen sich ein Plätzchen sucht. Alles Angestrengte fällt hin- weg, es ist eine andre Welt, das ist Alles. --
Wir bestiegen eine königliche Jacht. Den See- mann, ja nur den Küstenbewohner, mag an so ei- ner Jacht nichts ärgern und stören, er betrachtet jedes Fahrzeug nach seinem Gebrauch. Ich, un- gewohnter diese Maschinen in der Wirklichkeit zu sehen, gewohnt sie nur im Gefolge wichtiger Be- gebenheiten, ernster Beziehung, zu denken, em- pfand Befremdung bei dem Anblick eines Schiffs, das dem Putzzimmerchen einer petite Maitresse
den Ort wo der Anker liegt, da ſie gerade uͤber ihm ſchweben, vermoͤge des Seils, das ſie an ihn knuͤpft. Die hohen Maſten, das regelmaͤßige Tau- werk, die zierlich gefalteten Segel geben der Ge- ſtalt etwas Geputztes, etwas Vollendetes; der feſte Kern geht ſo allmaͤhlig in die farbiger fallen- den Wimpel aus, das lange Bogſprint ragt uͤber die Welle, und ſcheint das ganze Gebaͤude beinahe ſchwebend zu erhalten uͤber dem gefaͤhrlichen Ele- mente, auf dem es ruht. Dann ſitzen die Ma- troſen ſo heimlich und haͤuslich auf dem Verdeck, auf dem Raan rutſcht eine Menſchengeſtalt ſo wohlgemuth und nachlaͤßig, wie euer kleiner Bru- der, wenn er in dem Gipfel der hohen Ulmen ſich ein Plaͤtzchen ſucht. Alles Angeſtrengte faͤllt hin- weg, es iſt eine andre Welt, das iſt Alles. —
Wir beſtiegen eine koͤnigliche Jacht. Den See- mann, ja nur den Kuͤſtenbewohner, mag an ſo ei- ner Jacht nichts aͤrgern und ſtoͤren, er betrachtet jedes Fahrzeug nach ſeinem Gebrauch. Ich, un- gewohnter dieſe Maſchinen in der Wirklichkeit zu ſehen, gewohnt ſie nur im Gefolge wichtiger Be- gebenheiten, ernſter Beziehung, zu denken, em- pfand Befremdung bei dem Anblick eines Schiffs, das dem Putzzimmerchen einer petite Maitresse
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den Ort wo der Anker liegt, da ſie gerade uͤber
ihm ſchweben, vermoͤge des Seils, das ſie an ihn
knuͤpft. Die hohen Maſten, das regelmaͤßige Tau-
werk, die zierlich gefalteten Segel geben der Ge-
ſtalt etwas Geputztes, etwas Vollendetes; der
feſte Kern geht ſo allmaͤhlig in die farbiger fallen-
den Wimpel aus, das lange Bogſprint ragt uͤber
die Welle, und ſcheint das ganze Gebaͤude beinahe
ſchwebend zu erhalten uͤber dem gefaͤhrlichen Ele-
mente, auf dem es ruht. Dann ſitzen die Ma-
troſen ſo heimlich und haͤuslich auf dem Verdeck,
auf dem Raan rutſcht eine Menſchengeſtalt ſo
wohlgemuth und nachlaͤßig, wie euer kleiner Bru-
der, wenn er in dem Gipfel der hohen Ulmen ſich
ein Plaͤtzchen ſucht. Alles Angeſtrengte faͤllt hin-
weg, es iſt eine andre Welt, das iſt Alles. —
Wir beſtiegen eine koͤnigliche Jacht. Den See-
mann, ja nur den Kuͤſtenbewohner, mag an ſo ei-
ner Jacht nichts aͤrgern und ſtoͤren, er betrachtet
jedes Fahrzeug nach ſeinem Gebrauch. Ich, un-
gewohnter dieſe Maſchinen in der Wirklichkeit zu
ſehen, gewohnt ſie nur im Gefolge wichtiger Be-
gebenheiten, ernſter Beziehung, zu denken, em-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/167>, abgerufen am 27.11.2024.
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