Kunst scheinen unsre Gärtner, auch die, welchen man die Kosten dazu nicht verweigern würde, noch weit zurück -- vielleicht ist auch die Luft, das Wasser, hier dieser künstlichen Vegetation günsti- ger. Ihre Behandlungsweise scheint mir übrigens sehr leicht nachzuahmen, sie gewährte manchem müßigen Landjunker eine angenehme Beschäftigung, sobald er sie durch den Nahmen von Liebhaberei, Kaprize, oder Naturbeobachtung veredelt hätte. Die Gärtner biegen den Weinstock um, und brin- gen ihn, vielleicht zwei Fuß von der Wurzel, seit- wärts in einen gemauerten Glaskasten. Hier zieht man ihn auf ein schräges Geländer, unter dessen höchsten Seite ein Mensch aufrecht stehen kann. Dieses ist, wie jedes andre Mistbeet, mit Fenstern bedeckt, welche mit der größten Aufmerksamkeit bald geöfnet, bald verschlossen, bald bedeckt, bald dem Sonnenstrahl ausgesetzt werden. Der Stamm über der Wurzel, und diese selbst genießt indeß der freien Luft, und wird im Winter gegen die Kälte geschützt, indeß es die Zweige durch die Glasfen- ster und ihre Hüllen sind. So ein Weinstock hat acht und mehrere Zoll im Durchschnitt. Während der Sommerzeit geht der Gärtner jeden Morgen durch eine Thür in den Kasten, sucht Fliegen,
Kunſt ſcheinen unſre Gaͤrtner, auch die, welchen man die Koſten dazu nicht verweigern wuͤrde, noch weit zuruͤck — vielleicht iſt auch die Luft, das Waſſer, hier dieſer kuͤnſtlichen Vegetation guͤnſti- ger. Ihre Behandlungsweiſe ſcheint mir uͤbrigens ſehr leicht nachzuahmen, ſie gewaͤhrte manchem muͤßigen Landjunker eine angenehme Beſchaͤftigung, ſobald er ſie durch den Nahmen von Liebhaberei, Kaprize, oder Naturbeobachtung veredelt haͤtte. Die Gaͤrtner biegen den Weinſtock um, und brin- gen ihn, vielleicht zwei Fuß von der Wurzel, ſeit- waͤrts in einen gemauerten Glaskaſten. Hier zieht man ihn auf ein ſchraͤges Gelaͤnder, unter deſſen hoͤchſten Seite ein Menſch aufrecht ſtehen kann. Dieſes iſt, wie jedes andre Miſtbeet, mit Fenſtern bedeckt, welche mit der groͤßten Aufmerkſamkeit bald geoͤfnet, bald verſchloſſen, bald bedeckt, bald dem Sonnenſtrahl ausgeſetzt werden. Der Stamm uͤber der Wurzel, und dieſe ſelbſt genießt indeß der freien Luft, und wird im Winter gegen die Kaͤlte geſchuͤtzt, indeß es die Zweige durch die Glasfen- ſter und ihre Huͤllen ſind. So ein Weinſtock hat acht und mehrere Zoll im Durchſchnitt. Waͤhrend der Sommerzeit geht der Gaͤrtner jeden Morgen durch eine Thuͤr in den Kaſten, ſucht Fliegen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0156"n="142"/>
Kunſt ſcheinen unſre Gaͤrtner, auch die, welchen<lb/>
man die Koſten dazu nicht verweigern wuͤrde, noch<lb/>
weit zuruͤck — vielleicht iſt auch die Luft, das<lb/>
Waſſer, hier dieſer kuͤnſtlichen Vegetation guͤnſti-<lb/>
ger. Ihre Behandlungsweiſe ſcheint mir uͤbrigens<lb/>ſehr leicht nachzuahmen, ſie gewaͤhrte manchem<lb/>
muͤßigen Landjunker eine angenehme Beſchaͤftigung,<lb/>ſobald er ſie durch den Nahmen von Liebhaberei,<lb/>
Kaprize, oder Naturbeobachtung veredelt haͤtte.<lb/>
Die Gaͤrtner biegen den Weinſtock um, und brin-<lb/>
gen ihn, vielleicht zwei Fuß von der Wurzel, ſeit-<lb/>
waͤrts in einen gemauerten Glaskaſten. Hier zieht<lb/>
man ihn auf ein ſchraͤges Gelaͤnder, unter deſſen<lb/>
hoͤchſten Seite ein Menſch aufrecht ſtehen kann.<lb/>
Dieſes iſt, wie jedes andre Miſtbeet, mit Fenſtern<lb/>
bedeckt, welche mit der groͤßten Aufmerkſamkeit<lb/>
bald geoͤfnet, bald verſchloſſen, bald bedeckt, bald<lb/>
dem Sonnenſtrahl ausgeſetzt werden. Der Stamm<lb/>
uͤber der Wurzel, und dieſe ſelbſt genießt indeß der<lb/>
freien Luft, und wird im Winter gegen die Kaͤlte<lb/>
geſchuͤtzt, indeß es die Zweige durch die Glasfen-<lb/>ſter und ihre Huͤllen ſind. So ein Weinſtock hat<lb/>
acht und mehrere Zoll im Durchſchnitt. Waͤhrend<lb/>
der Sommerzeit geht der Gaͤrtner jeden Morgen<lb/>
durch eine Thuͤr in den Kaſten, ſucht Fliegen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[142/0156]
Kunſt ſcheinen unſre Gaͤrtner, auch die, welchen
man die Koſten dazu nicht verweigern wuͤrde, noch
weit zuruͤck — vielleicht iſt auch die Luft, das
Waſſer, hier dieſer kuͤnſtlichen Vegetation guͤnſti-
ger. Ihre Behandlungsweiſe ſcheint mir uͤbrigens
ſehr leicht nachzuahmen, ſie gewaͤhrte manchem
muͤßigen Landjunker eine angenehme Beſchaͤftigung,
ſobald er ſie durch den Nahmen von Liebhaberei,
Kaprize, oder Naturbeobachtung veredelt haͤtte.
Die Gaͤrtner biegen den Weinſtock um, und brin-
gen ihn, vielleicht zwei Fuß von der Wurzel, ſeit-
waͤrts in einen gemauerten Glaskaſten. Hier zieht
man ihn auf ein ſchraͤges Gelaͤnder, unter deſſen
hoͤchſten Seite ein Menſch aufrecht ſtehen kann.
Dieſes iſt, wie jedes andre Miſtbeet, mit Fenſtern
bedeckt, welche mit der groͤßten Aufmerkſamkeit
bald geoͤfnet, bald verſchloſſen, bald bedeckt, bald
dem Sonnenſtrahl ausgeſetzt werden. Der Stamm
uͤber der Wurzel, und dieſe ſelbſt genießt indeß der
freien Luft, und wird im Winter gegen die Kaͤlte
geſchuͤtzt, indeß es die Zweige durch die Glasfen-
ſter und ihre Huͤllen ſind. So ein Weinſtock hat
acht und mehrere Zoll im Durchſchnitt. Waͤhrend
der Sommerzeit geht der Gaͤrtner jeden Morgen
durch eine Thuͤr in den Kaſten, ſucht Fliegen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/156>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.