anders seyn? Wird es anders werden? Ich hatte in meinem Zimmer in Amsterdam eine herrliche Tuschmahlerei, die Niederfahrt des Odin, eine von Hetsch, seinem großen Gemälde sehr verschied- ne Composition, zu deren Wirkung das farbenlose Grau und Schwarz noch sehr beitrug -- vor die- sem Bilde stand ich oft, und hätte die Zauberin aus ihrer Felsengruft reißen und fragen mögen, ob unsrer Söhne Söhne Männer seyn würden? --
In mancher Beschreibung von Amsterdam, wel- che der lernbegierigen Jugend gegeben wird, lernt man, daß daselbst die Kutschen auf Schlitten ru- hen um durch die Erschütterung den auf lauter Pfählen gebauten Häusern nicht zu schaden. Das kam mir immer recht ängstlich vor, ich sah die Häuser beben wie ein Blancmange. -- Wie es ehmals war, weiß ich nicht, vielleicht ging man behutsamer mit den Häusern um, jetzt rollen die Wagen ohne alle Rücksicht, und es wird hier mehr gefahren, wie an irgend einem Orte, den ich ken- ne, welches schon der häufige Landaufenthalt für die Handelsleute nothwendig macht, indem sie täglich in die Stadt kommen, oder, ist der Haus- vater nicht mit auf dem Lande, dieser täglich zu seiner Familie hinausfährt. Auch giebt es Fahr-
anders ſeyn? Wird es anders werden? Ich hatte in meinem Zimmer in Amſterdam eine herrliche Tuſchmahlerei, die Niederfahrt des Odin, eine von Hetſch, ſeinem großen Gemaͤlde ſehr verſchied- ne Compoſition, zu deren Wirkung das farbenloſe Grau und Schwarz noch ſehr beitrug — vor die- ſem Bilde ſtand ich oft, und haͤtte die Zauberin aus ihrer Felſengruft reißen und fragen moͤgen, ob unſrer Soͤhne Soͤhne Maͤnner ſeyn wuͤrden? —
In mancher Beſchreibung von Amſterdam, wel- che der lernbegierigen Jugend gegeben wird, lernt man, daß daſelbſt die Kutſchen auf Schlitten ru- hen um durch die Erſchuͤtterung den auf lauter Pfaͤhlen gebauten Haͤuſern nicht zu ſchaden. Das kam mir immer recht aͤngſtlich vor, ich ſah die Haͤuſer beben wie ein Blancmange. — Wie es ehmals war, weiß ich nicht, vielleicht ging man behutſamer mit den Haͤuſern um, jetzt rollen die Wagen ohne alle Ruͤckſicht, und es wird hier mehr gefahren, wie an irgend einem Orte, den ich ken- ne, welches ſchon der haͤufige Landaufenthalt fuͤr die Handelsleute nothwendig macht, indem ſie taͤglich in die Stadt kommen, oder, iſt der Haus- vater nicht mit auf dem Lande, dieſer taͤglich zu ſeiner Familie hinausfaͤhrt. Auch giebt es Fahr-
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anders ſeyn? Wird es anders werden? Ich hatte
in meinem Zimmer in Amſterdam eine herrliche
Tuſchmahlerei, die Niederfahrt des Odin, eine
von Hetſch, ſeinem großen Gemaͤlde ſehr verſchied-
ne Compoſition, zu deren Wirkung das farbenloſe
Grau und Schwarz noch ſehr beitrug — vor die-
ſem Bilde ſtand ich oft, und haͤtte die Zauberin
aus ihrer Felſengruft reißen und fragen moͤgen,
ob unſrer Soͤhne Soͤhne Maͤnner ſeyn wuͤrden? —
In mancher Beſchreibung von Amſterdam, wel-
che der lernbegierigen Jugend gegeben wird, lernt
man, daß daſelbſt die Kutſchen auf Schlitten ru-
hen um durch die Erſchuͤtterung den auf lauter
Pfaͤhlen gebauten Haͤuſern nicht zu ſchaden. Das
kam mir immer recht aͤngſtlich vor, ich ſah die
Haͤuſer beben wie ein Blancmange. — Wie es
ehmals war, weiß ich nicht, vielleicht ging man
behutſamer mit den Haͤuſern um, jetzt rollen die
Wagen ohne alle Ruͤckſicht, und es wird hier mehr
gefahren, wie an irgend einem Orte, den ich ken-
ne, welches ſchon der haͤufige Landaufenthalt fuͤr
die Handelsleute nothwendig macht, indem ſie
taͤglich in die Stadt kommen, oder, iſt der Haus-
vater nicht mit auf dem Lande, dieſer taͤglich zu
ſeiner Familie hinausfaͤhrt. Auch giebt es Fahr-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/148>, abgerufen am 24.11.2024.
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