ich sagen: die Unglücklichen, sie können nicht singen! -- -- --
Das weite Wasserbecken wird enger, und die Stadt nimmt den Kanal auf. Es ist eine wun- derliche Empfindung, im Finstern in eine ganz fremde Stadt zu kommen, und besonders in diese. Wohin ich blickte schimmerte Wasser, und spiegel- ten sich Bäume und Brücken, Bäume, Wasser und wieder Brücken. An dem Ton des rollenden Wagens hörte ich wohl, daß die Häuser um mich her hoch waren, besonders bemerkte ichs an den Orten, wo ich kein Wasser schimmern sah, da sah ich auch, daß ich in einer großen Stadt war, denn die hell erleuchteten, ausgeschmückten Kaufläden schimmerten von allen Seiten. In den Gassen wo Kanäle waren, sah ich nicht so viele Kramla- den, hier schien aber überall das Licht aus dem Kellergeschoß heraus, wo in den großen Häusern das Gesinde wohnt, vielleicht auch noch, so wie es ehemals allgemein war, mancher Haus- eigenthümer, der durch diese Beschränkung den Vortheil hat, sein übriges Haus sauber zu hal- ten. Nach der langen Zeit die wir fuhren zu ur- theilen, mußte die Stadt recht groß seyn. End- lich kam ich auf einen der schönsten Kanäle, wel-
ich ſagen: die Ungluͤcklichen, ſie koͤnnen nicht ſingen! — — —
Das weite Waſſerbecken wird enger, und die Stadt nimmt den Kanal auf. Es iſt eine wun- derliche Empfindung, im Finſtern in eine ganz fremde Stadt zu kommen, und beſonders in dieſe. Wohin ich blickte ſchimmerte Waſſer, und ſpiegel- ten ſich Baͤume und Bruͤcken, Baͤume, Waſſer und wieder Bruͤcken. An dem Ton des rollenden Wagens hoͤrte ich wohl, daß die Haͤuſer um mich her hoch waren, beſonders bemerkte ichs an den Orten, wo ich kein Waſſer ſchimmern ſah, da ſah ich auch, daß ich in einer großen Stadt war, denn die hell erleuchteten, ausgeſchmuͤckten Kauflaͤden ſchimmerten von allen Seiten. In den Gaſſen wo Kanaͤle waren, ſah ich nicht ſo viele Kramla- den, hier ſchien aber uͤberall das Licht aus dem Kellergeſchoß heraus, wo in den großen Haͤuſern das Geſinde wohnt, vielleicht auch noch, ſo wie es ehemals allgemein war, mancher Haus- eigenthuͤmer, der durch dieſe Beſchraͤnkung den Vortheil hat, ſein uͤbriges Haus ſauber zu hal- ten. Nach der langen Zeit die wir fuhren zu ur- theilen, mußte die Stadt recht groß ſeyn. End- lich kam ich auf einen der ſchoͤnſten Kanaͤle, wel-
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ich ſagen: die Ungluͤcklichen, ſie koͤnnen nicht
ſingen! — — —
Das weite Waſſerbecken wird enger, und die
Stadt nimmt den Kanal auf. Es iſt eine wun-
derliche Empfindung, im Finſtern in eine ganz
fremde Stadt zu kommen, und beſonders in dieſe.
Wohin ich blickte ſchimmerte Waſſer, und ſpiegel-
ten ſich Baͤume und Bruͤcken, Baͤume, Waſſer
und wieder Bruͤcken. An dem Ton des rollenden
Wagens hoͤrte ich wohl, daß die Haͤuſer um mich
her hoch waren, beſonders bemerkte ichs an den
Orten, wo ich kein Waſſer ſchimmern ſah, da ſah
ich auch, daß ich in einer großen Stadt war, denn
die hell erleuchteten, ausgeſchmuͤckten Kauflaͤden
ſchimmerten von allen Seiten. In den Gaſſen
wo Kanaͤle waren, ſah ich nicht ſo viele Kramla-
den, hier ſchien aber uͤberall das Licht aus dem
Kellergeſchoß heraus, wo in den großen Haͤuſern
das Geſinde wohnt, vielleicht auch noch, ſo wie
es ehemals allgemein war, mancher Haus-
eigenthuͤmer, der durch dieſe Beſchraͤnkung den
Vortheil hat, ſein uͤbriges Haus ſauber zu hal-
ten. Nach der langen Zeit die wir fuhren zu ur-
theilen, mußte die Stadt recht groß ſeyn. End-
lich kam ich auf einen der ſchoͤnſten Kanaͤle, wel-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/144>, abgerufen am 25.11.2024.
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