als Damm gegen die landfressenden Fluthen der Donau. Aber die Bäume haben hier ein Wachs- thum, das den unsern versagt ist. Ich möchte nur wissen, ob sie bei der schnellen Entwickelung, bei dem üppichen Wuchse, so lange dauern, wie bei uns. Längs den Wegen, längs den Auffahr- ten (avenues) sind sie sehr hochstämmig gehalten, damit die Luft unten stets freien Lauf hat, auch werden sie stets gelichtet, niemals gestumpft. Sol- chergestalt sind die Zweige gegen die Höhe des Bau- mes schwach; mir däucht aber, daß das Laub da- bei an Schönheit gewönne. Wir konnten den An- blick dieser in Schatten versteckten Wohnungen, dieser jugendlich belaubten Alleen, dieser sich kreu- zenden Kanäle, gar nicht müde werden. Nach einer Strecke Wegs kam wieder ein Stück Landes, wo die Verwüstungen der Wasserfluth noch deut- lich vor Augen lagen. Der Sand hatte große Obst- gärten bedeckt, an einigen Orten waren alle Bäu- me ausgewühlt, so, daß sie dürr und zerschlagen, alle in der Richtung der Fluth, auf dem Boden lagen.
Nachdem wir zwei Stunden gefahren waren, ward ich durch einen rein polnischen Gebrauch ganz sonderbar überrascht. Der Kutscher bog vom Wege
als Damm gegen die landfreſſenden Fluthen der Donau. Aber die Baͤume haben hier ein Wachs- thum, das den unſern verſagt iſt. Ich moͤchte nur wiſſen, ob ſie bei der ſchnellen Entwickelung, bei dem uͤppichen Wuchſe, ſo lange dauern, wie bei uns. Laͤngs den Wegen, laͤngs den Auffahr- ten (avenues) ſind ſie ſehr hochſtaͤmmig gehalten, damit die Luft unten ſtets freien Lauf hat, auch werden ſie ſtets gelichtet, niemals geſtumpft. Sol- chergeſtalt ſind die Zweige gegen die Hoͤhe des Bau- mes ſchwach; mir daͤucht aber, daß das Laub da- bei an Schoͤnheit gewoͤnne. Wir konnten den An- blick dieſer in Schatten verſteckten Wohnungen, dieſer jugendlich belaubten Alleen, dieſer ſich kreu- zenden Kanaͤle, gar nicht muͤde werden. Nach einer Strecke Wegs kam wieder ein Stuͤck Landes, wo die Verwuͤſtungen der Waſſerfluth noch deut- lich vor Augen lagen. Der Sand hatte große Obſt- gaͤrten bedeckt, an einigen Orten waren alle Baͤu- me ausgewuͤhlt, ſo, daß ſie duͤrr und zerſchlagen, alle in der Richtung der Fluth, auf dem Boden lagen.
Nachdem wir zwei Stunden gefahren waren, ward ich durch einen rein polniſchen Gebrauch ganz ſonderbar uͤberraſcht. Der Kutſcher bog vom Wege
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0123"n="109"/>
als Damm gegen die landfreſſenden Fluthen der<lb/>
Donau. Aber die Baͤume haben hier ein Wachs-<lb/>
thum, das den unſern verſagt iſt. Ich moͤchte<lb/>
nur wiſſen, ob ſie bei der ſchnellen Entwickelung,<lb/>
bei dem uͤppichen Wuchſe, ſo lange dauern, wie<lb/>
bei uns. Laͤngs den Wegen, laͤngs den Auffahr-<lb/>
ten (<hirendition="#aq">avenues</hi>) ſind ſie ſehr hochſtaͤmmig gehalten,<lb/>
damit die Luft unten ſtets freien Lauf hat, auch<lb/>
werden ſie ſtets gelichtet, niemals geſtumpft. Sol-<lb/>
chergeſtalt ſind die Zweige gegen die Hoͤhe des Bau-<lb/>
mes ſchwach; mir daͤucht aber, daß das Laub da-<lb/>
bei an Schoͤnheit gewoͤnne. Wir konnten den An-<lb/>
blick dieſer in Schatten verſteckten Wohnungen,<lb/>
dieſer jugendlich belaubten Alleen, dieſer ſich kreu-<lb/>
zenden Kanaͤle, gar nicht muͤde werden. Nach<lb/>
einer Strecke Wegs kam wieder ein Stuͤck Landes,<lb/>
wo die Verwuͤſtungen der Waſſerfluth noch deut-<lb/>
lich vor Augen lagen. Der Sand hatte große Obſt-<lb/>
gaͤrten bedeckt, an einigen Orten waren alle Baͤu-<lb/>
me ausgewuͤhlt, ſo, daß ſie duͤrr und zerſchlagen,<lb/>
alle in der Richtung der Fluth, auf dem Boden<lb/>
lagen.</p><lb/><p>Nachdem wir zwei Stunden gefahren waren,<lb/>
ward ich durch einen rein polniſchen Gebrauch ganz<lb/>ſonderbar uͤberraſcht. Der Kutſcher bog vom Wege<lb/></p></div></body></text></TEI>
[109/0123]
als Damm gegen die landfreſſenden Fluthen der
Donau. Aber die Baͤume haben hier ein Wachs-
thum, das den unſern verſagt iſt. Ich moͤchte
nur wiſſen, ob ſie bei der ſchnellen Entwickelung,
bei dem uͤppichen Wuchſe, ſo lange dauern, wie
bei uns. Laͤngs den Wegen, laͤngs den Auffahr-
ten (avenues) ſind ſie ſehr hochſtaͤmmig gehalten,
damit die Luft unten ſtets freien Lauf hat, auch
werden ſie ſtets gelichtet, niemals geſtumpft. Sol-
chergeſtalt ſind die Zweige gegen die Hoͤhe des Bau-
mes ſchwach; mir daͤucht aber, daß das Laub da-
bei an Schoͤnheit gewoͤnne. Wir konnten den An-
blick dieſer in Schatten verſteckten Wohnungen,
dieſer jugendlich belaubten Alleen, dieſer ſich kreu-
zenden Kanaͤle, gar nicht muͤde werden. Nach
einer Strecke Wegs kam wieder ein Stuͤck Landes,
wo die Verwuͤſtungen der Waſſerfluth noch deut-
lich vor Augen lagen. Der Sand hatte große Obſt-
gaͤrten bedeckt, an einigen Orten waren alle Baͤu-
me ausgewuͤhlt, ſo, daß ſie duͤrr und zerſchlagen,
alle in der Richtung der Fluth, auf dem Boden
lagen.
Nachdem wir zwei Stunden gefahren waren,
ward ich durch einen rein polniſchen Gebrauch ganz
ſonderbar uͤberraſcht. Der Kutſcher bog vom Wege
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/123>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.