sche, und einen spannnagelneuen Hut, an wel- chen allen er fleißig zupfte und putzte, um un- versehrt bei seiner Braut anzulangen. Ich kann mir das nimweger Meysje (junges Mädchen) von etlichen acht und zwanzig Jahren recht den- ken, wie sie in langer Juppe das Strahlenhäub- chen unter dem Kinne gebunden, die silberne Bü- geltasche mit Calender, Balsambüchschen, Fin- gerhut und dem ganzen Wirthschaftsapparat an der Seite, den wohlgeschniegelten Sponsen mit einem tiefen Knix empfängt. Weiter war ein Domino in dem Wagen -- ach gewiß nur von ei- ner Nebenkirche und Nebensekte, denn er sah gar nicht herrschend, gar nicht nahrhaft -- man sagt ja eine nahrhafte Stadt, d. i. eine die sich gut nährt, man muß also auch ein nahrhafter Mensch sagen können -- gar nicht nahrhaft aus. Er trug einen schäbigen schwarzen langen Rock, wie unsre Weltgeistlichen, hatte ein fettes schwarzes Haar, aber so etwas gutmüthiges! -- so ein wehmüthiges Lächeln der Freude, als sei er gewohnt sich nie über eine große Freude zu freuen. Er er- innerte mich an Sebaldus Nothanker, den man -- Gottlob! -- bei uns jetzt vergessen darf, aber nie vergessen sollte, wie viel er dazu beitrug ver-
ſche, und einen ſpannnagelneuen Hut, an wel- chen allen er fleißig zupfte und putzte, um un- verſehrt bei ſeiner Braut anzulangen. Ich kann mir das nimweger Meysje (junges Maͤdchen) von etlichen acht und zwanzig Jahren recht den- ken, wie ſie in langer Juppe das Strahlenhaͤub- chen unter dem Kinne gebunden, die ſilberne Buͤ- geltaſche mit Calender, Balſambuͤchschen, Fin- gerhut und dem ganzen Wirthſchaftsapparat an der Seite, den wohlgeſchniegelten Sponſen mit einem tiefen Knix empfaͤngt. Weiter war ein Domino in dem Wagen — ach gewiß nur von ei- ner Nebenkirche und Nebenſekte, denn er ſah gar nicht herrſchend, gar nicht nahrhaft — man ſagt ja eine nahrhafte Stadt, d. i. eine die ſich gut naͤhrt, man muß alſo auch ein nahrhafter Menſch ſagen koͤnnen — gar nicht nahrhaft aus. Er trug einen ſchaͤbigen ſchwarzen langen Rock, wie unſre Weltgeiſtlichen, hatte ein fettes ſchwarzes Haar, aber ſo etwas gutmuͤthiges! — ſo ein wehmuͤthiges Laͤcheln der Freude, als ſei er gewohnt ſich nie uͤber eine große Freude zu freuen. Er er- innerte mich an Sebaldus Nothanker, den man — Gottlob! — bei uns jetzt vergeſſen darf, aber nie vergeſſen ſollte, wie viel er dazu beitrug ver-
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ſche, und einen ſpannnagelneuen Hut, an wel-
chen allen er fleißig zupfte und putzte, um un-
verſehrt bei ſeiner Braut anzulangen. Ich kann
mir das nimweger Meysje (junges Maͤdchen)
von etlichen acht und zwanzig Jahren recht den-
ken, wie ſie in langer Juppe das Strahlenhaͤub-
chen unter dem Kinne gebunden, die ſilberne Buͤ-
geltaſche mit Calender, Balſambuͤchschen, Fin-
gerhut und dem ganzen Wirthſchaftsapparat an
der Seite, den wohlgeſchniegelten Sponſen mit
einem tiefen Knix empfaͤngt. Weiter war ein
Domino in dem Wagen — ach gewiß nur von ei-
ner Nebenkirche und Nebenſekte, denn er ſah gar
nicht herrſchend, gar nicht nahrhaft — man ſagt
ja eine nahrhafte Stadt, d. i. eine die ſich gut
naͤhrt, man muß alſo auch ein nahrhafter Menſch
ſagen koͤnnen — gar nicht nahrhaft aus. Er
trug einen ſchaͤbigen ſchwarzen langen Rock, wie
unſre Weltgeiſtlichen, hatte ein fettes ſchwarzes
Haar, aber ſo etwas gutmuͤthiges! — ſo ein
wehmuͤthiges Laͤcheln der Freude, als ſei er gewohnt
ſich nie uͤber eine große Freude zu freuen. Er er-
innerte mich an Sebaldus Nothanker, den man
— Gottlob! — bei uns jetzt vergeſſen darf, aber
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/108>, abgerufen am 26.11.2024.
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