Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ganz recht, ich fahre auch -- und sieh, da kommt Giannino mit seinem dürren Gäulchen. Dürr genug war es freilich, das Gäulchen, welches die roth und blau bemalte Landkutsche zog; doch Giannino, sein Herr, hörte nicht auf zu schnalzen, zu schmeicheln, mit der Peitsche zwar bei Leibe nicht dem wackeren Thiere, aber doch der Luft klatschende Hiebe ertheilen, und, so angetrieben, schob sich das knarrende Gefährt immerhin mit mäßiger Eile vorwärts. Auf dem Platze vor dem Thore aber hielt Giannino nun an; denn hier pflegte er von den Fahrgästen erwartet zu werden, welche nicht bereits am Abgangsorte drinnen in der Stadt, in der Straße "Sui Renai", eingestiegen waren. Dienstbeflissen sprang der kleine Fuhrherr -- er war so mager als sein Pferd und hatte ebenso ungekämmte rothbraune Haare -- vom Bock herunter, um dem Mädchen in den Wagen zu helfen. Nein, ich will bei dir draußen sitzen, sagte Gigia. Eine volle Stunde habe ich auf dich gewartet, Giannino. Thut mir leid, aber da die Signori -- Giannino deutete auf zwei die Bank hinter dem Bock einnehmende Herren -- haben nicht eher kommen können, und etwas leiser setzte er hinzu: Ihr seht, die Herren würden es zu enge haben, wenn ihr außen bliebet. Drinnen aber ist Platz genug. Das Mädchen verzog das Gesicht, aber sie hatte als einen der Herren den Signor Baldo erkannt, einen in Florenz und weit über Florenz hinaus hochange- Ganz recht, ich fahre auch — und sieh, da kommt Giannino mit seinem dürren Gäulchen. Dürr genug war es freilich, das Gäulchen, welches die roth und blau bemalte Landkutsche zog; doch Giannino, sein Herr, hörte nicht auf zu schnalzen, zu schmeicheln, mit der Peitsche zwar bei Leibe nicht dem wackeren Thiere, aber doch der Luft klatschende Hiebe ertheilen, und, so angetrieben, schob sich das knarrende Gefährt immerhin mit mäßiger Eile vorwärts. Auf dem Platze vor dem Thore aber hielt Giannino nun an; denn hier pflegte er von den Fahrgästen erwartet zu werden, welche nicht bereits am Abgangsorte drinnen in der Stadt, in der Straße „Sui Renai“, eingestiegen waren. Dienstbeflissen sprang der kleine Fuhrherr — er war so mager als sein Pferd und hatte ebenso ungekämmte rothbraune Haare — vom Bock herunter, um dem Mädchen in den Wagen zu helfen. Nein, ich will bei dir draußen sitzen, sagte Gigia. Eine volle Stunde habe ich auf dich gewartet, Giannino. Thut mir leid, aber da die Signori — Giannino deutete auf zwei die Bank hinter dem Bock einnehmende Herren — haben nicht eher kommen können, und etwas leiser setzte er hinzu: Ihr seht, die Herren würden es zu enge haben, wenn ihr außen bliebet. Drinnen aber ist Platz genug. Das Mädchen verzog das Gesicht, aber sie hatte als einen der Herren den Signor Baldo erkannt, einen in Florenz und weit über Florenz hinaus hochange- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0008"/> <p>Ganz recht, ich fahre auch — und sieh, da kommt Giannino mit seinem dürren Gäulchen.</p><lb/> <p>Dürr genug war es freilich, das Gäulchen, welches die roth und blau bemalte Landkutsche zog; doch Giannino, sein Herr, hörte nicht auf zu schnalzen, zu schmeicheln, mit der Peitsche zwar bei Leibe nicht dem wackeren Thiere, aber doch der Luft klatschende Hiebe ertheilen, und, so angetrieben, schob sich das knarrende Gefährt immerhin mit mäßiger Eile vorwärts. Auf dem Platze vor dem Thore aber hielt Giannino nun an; denn hier pflegte er von den Fahrgästen erwartet zu werden, welche nicht bereits am Abgangsorte drinnen in der Stadt, in der Straße „Sui Renai“, eingestiegen waren. Dienstbeflissen sprang der kleine Fuhrherr — er war so mager als sein Pferd und hatte ebenso ungekämmte rothbraune Haare — vom Bock herunter, um dem Mädchen in den Wagen zu helfen.</p><lb/> <p>Nein, ich will bei dir draußen sitzen, sagte Gigia. Eine volle Stunde habe ich auf dich gewartet, Giannino.</p><lb/> <p>Thut mir leid, aber da die Signori — Giannino deutete auf zwei die Bank hinter dem Bock einnehmende Herren — haben nicht eher kommen können, und etwas leiser setzte er hinzu: Ihr seht, die Herren würden es zu enge haben, wenn ihr außen bliebet. Drinnen aber ist Platz genug.</p><lb/> <p>Das Mädchen verzog das Gesicht, aber sie hatte als einen der Herren den Signor Baldo erkannt, einen in Florenz und weit über Florenz hinaus hochange-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
Ganz recht, ich fahre auch — und sieh, da kommt Giannino mit seinem dürren Gäulchen.
Dürr genug war es freilich, das Gäulchen, welches die roth und blau bemalte Landkutsche zog; doch Giannino, sein Herr, hörte nicht auf zu schnalzen, zu schmeicheln, mit der Peitsche zwar bei Leibe nicht dem wackeren Thiere, aber doch der Luft klatschende Hiebe ertheilen, und, so angetrieben, schob sich das knarrende Gefährt immerhin mit mäßiger Eile vorwärts. Auf dem Platze vor dem Thore aber hielt Giannino nun an; denn hier pflegte er von den Fahrgästen erwartet zu werden, welche nicht bereits am Abgangsorte drinnen in der Stadt, in der Straße „Sui Renai“, eingestiegen waren. Dienstbeflissen sprang der kleine Fuhrherr — er war so mager als sein Pferd und hatte ebenso ungekämmte rothbraune Haare — vom Bock herunter, um dem Mädchen in den Wagen zu helfen.
Nein, ich will bei dir draußen sitzen, sagte Gigia. Eine volle Stunde habe ich auf dich gewartet, Giannino.
Thut mir leid, aber da die Signori — Giannino deutete auf zwei die Bank hinter dem Bock einnehmende Herren — haben nicht eher kommen können, und etwas leiser setzte er hinzu: Ihr seht, die Herren würden es zu enge haben, wenn ihr außen bliebet. Drinnen aber ist Platz genug.
Das Mädchen verzog das Gesicht, aber sie hatte als einen der Herren den Signor Baldo erkannt, einen in Florenz und weit über Florenz hinaus hochange-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/8 |
Zitationshilfe: | Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/8>, abgerufen am 16.02.2025. |