Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mit Agenore aufgeboten worden, beirrte ihn nicht im Mindesten, aber sie verdoppelte seine Ungeduld. Bin ich nur erst wieder auf den Beinen, so soll er bald die Lust verlieren, sie zu heirathen, so sagte er ein Dutzendmal am Tag, und ebenso oft fragte er, ob er morgen endlich hinausdürfe. Wer Athem zu verschwenden hat, mag's ihm ausreden, sagte der Verwalter zu Donna Ersilia, alle Psalmen endigen mit dem Gloria, und alle seine Worte endigen mit Gigia. Ich wette, wenn er wieder gesund ist, giebt's Mord und Todtschlag. Donna Ersilia fürchtete den schon so ungeduldigen Jungen zu einem verzweifelten Schritt zu treiben, wenn sie mit einem Male seinen Wahn zerstörte. Sie begnügte sich, ihm ganz im Allgemeinen vorzustellen, daß die Zeit jedes Ding heile, daß kein Uebel ohne seinen Nutzen sei, daß der Schaden sich nicht immer da finde, wo man ihn suche, und daß es hinter dem Berge wieder abwärts gehe; sie flocht in ihre Reden wiederholt die Weisheit ein: Liebe den, der dich liebt, und antworte dem, der dich ruft! und bewies, daß nur Thoren ihr Herz an bloße Körperschönheit hängen, weil die Rosen abfallen und die Dornen bleiben. Maso begriff nicht, warum er dies Alles zu hören bekam. Als die Padrona aber von den Gefahren redete, in welchen schon manch ein von Liebeswahnsinn verblendeter Bursche elendiglich zu Grunde gegangen sei, da erwiderte er: an einem Messerstich sterben oder aus Liebe sei beides der Tod. Donna Ersilia sah, daß hier mit kluger Vorsicht mit Agenore aufgeboten worden, beirrte ihn nicht im Mindesten, aber sie verdoppelte seine Ungeduld. Bin ich nur erst wieder auf den Beinen, so soll er bald die Lust verlieren, sie zu heirathen, so sagte er ein Dutzendmal am Tag, und ebenso oft fragte er, ob er morgen endlich hinausdürfe. Wer Athem zu verschwenden hat, mag's ihm ausreden, sagte der Verwalter zu Donna Ersilia, alle Psalmen endigen mit dem Gloria, und alle seine Worte endigen mit Gigia. Ich wette, wenn er wieder gesund ist, giebt's Mord und Todtschlag. Donna Ersilia fürchtete den schon so ungeduldigen Jungen zu einem verzweifelten Schritt zu treiben, wenn sie mit einem Male seinen Wahn zerstörte. Sie begnügte sich, ihm ganz im Allgemeinen vorzustellen, daß die Zeit jedes Ding heile, daß kein Uebel ohne seinen Nutzen sei, daß der Schaden sich nicht immer da finde, wo man ihn suche, und daß es hinter dem Berge wieder abwärts gehe; sie flocht in ihre Reden wiederholt die Weisheit ein: Liebe den, der dich liebt, und antworte dem, der dich ruft! und bewies, daß nur Thoren ihr Herz an bloße Körperschönheit hängen, weil die Rosen abfallen und die Dornen bleiben. Maso begriff nicht, warum er dies Alles zu hören bekam. Als die Padrona aber von den Gefahren redete, in welchen schon manch ein von Liebeswahnsinn verblendeter Bursche elendiglich zu Grunde gegangen sei, da erwiderte er: an einem Messerstich sterben oder aus Liebe sei beides der Tod. Donna Ersilia sah, daß hier mit kluger Vorsicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064"/> mit Agenore aufgeboten worden, beirrte ihn nicht im Mindesten, aber sie verdoppelte seine Ungeduld. Bin ich nur erst wieder auf den Beinen, so soll er bald die Lust verlieren, sie zu heirathen, so sagte er ein Dutzendmal am Tag, und ebenso oft fragte er, ob er morgen endlich hinausdürfe. Wer Athem zu verschwenden hat, mag's ihm ausreden, sagte der Verwalter zu Donna Ersilia, alle Psalmen endigen mit dem Gloria, und alle seine Worte endigen mit Gigia. Ich wette, wenn er wieder gesund ist, giebt's Mord und Todtschlag. Donna Ersilia fürchtete den schon so ungeduldigen Jungen zu einem verzweifelten Schritt zu treiben, wenn sie mit einem Male seinen Wahn zerstörte. Sie begnügte sich, ihm ganz im Allgemeinen vorzustellen, daß die Zeit jedes Ding heile, daß kein Uebel ohne seinen Nutzen sei, daß der Schaden sich nicht immer da finde, wo man ihn suche, und daß es hinter dem Berge wieder abwärts gehe; sie flocht in ihre Reden wiederholt die Weisheit ein: Liebe den, der dich liebt, und antworte dem, der dich ruft! und bewies, daß nur Thoren ihr Herz an bloße Körperschönheit hängen, weil die Rosen abfallen und die Dornen bleiben. Maso begriff nicht, warum er dies Alles zu hören bekam. Als die Padrona aber von den Gefahren redete, in welchen schon manch ein von Liebeswahnsinn verblendeter Bursche elendiglich zu Grunde gegangen sei, da erwiderte er: an einem Messerstich sterben oder aus Liebe sei beides der Tod.</p><lb/> <p>Donna Ersilia sah, daß hier mit kluger Vorsicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
mit Agenore aufgeboten worden, beirrte ihn nicht im Mindesten, aber sie verdoppelte seine Ungeduld. Bin ich nur erst wieder auf den Beinen, so soll er bald die Lust verlieren, sie zu heirathen, so sagte er ein Dutzendmal am Tag, und ebenso oft fragte er, ob er morgen endlich hinausdürfe. Wer Athem zu verschwenden hat, mag's ihm ausreden, sagte der Verwalter zu Donna Ersilia, alle Psalmen endigen mit dem Gloria, und alle seine Worte endigen mit Gigia. Ich wette, wenn er wieder gesund ist, giebt's Mord und Todtschlag. Donna Ersilia fürchtete den schon so ungeduldigen Jungen zu einem verzweifelten Schritt zu treiben, wenn sie mit einem Male seinen Wahn zerstörte. Sie begnügte sich, ihm ganz im Allgemeinen vorzustellen, daß die Zeit jedes Ding heile, daß kein Uebel ohne seinen Nutzen sei, daß der Schaden sich nicht immer da finde, wo man ihn suche, und daß es hinter dem Berge wieder abwärts gehe; sie flocht in ihre Reden wiederholt die Weisheit ein: Liebe den, der dich liebt, und antworte dem, der dich ruft! und bewies, daß nur Thoren ihr Herz an bloße Körperschönheit hängen, weil die Rosen abfallen und die Dornen bleiben. Maso begriff nicht, warum er dies Alles zu hören bekam. Als die Padrona aber von den Gefahren redete, in welchen schon manch ein von Liebeswahnsinn verblendeter Bursche elendiglich zu Grunde gegangen sei, da erwiderte er: an einem Messerstich sterben oder aus Liebe sei beides der Tod.
Donna Ersilia sah, daß hier mit kluger Vorsicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T12:13:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T12:13:28Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |