Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Mädchen gewendet, sagte sie: Du hast in der Kirche geweint, als du mit Agenore ausgerufen wurdest. Wenn du einen Kummer hast, warum klagst du ihn nicht Denen, die dir helfen können? Es ist unnütz, sagte Gigia. Unnütz! wie kannst du's wissen! rief die Signora eifrig. Gott sei Dank, die Zeiten sind vorüber in unserm Italien, da die Mädchen zu verhaßten Ehen gezwungen wurden. Du, die Bäuerin, bist eine freie Italienerin, so gut wie ich, die Signora; wenn du es nicht weißt, so laß es dir von mir sagen, und nun sprich: du magst den Agenore nicht zum Manne? -- Was liegt daran, ob ich ihn mag oder nicht; ich muß ihn heirathen. Du mußt? Schäme dich, meine Tochter! kein Mädchen muß einen Mann heirathen, gegen den sein Herz sich auflehnt. Freilich, es sollte sich auch nicht mit ihm verloben. O Signora mia, es war nicht meine Schuld, ich konnte nicht anders. Also ist's wahr? Du hättest ihn nur hindern wollen, dem Maso ein Leid anzuthun? Ja, Illustrissima. Aber nun ist es geschehen; nun kann mir nicht mehr geholfen werden. Warum nicht? eine Verlobung ist noch keine Ehe, nur die Ehe ist heilig und unauflöslich, eben darum soll man sie willig eingehen und in Liebe, denn mit Gewalt macht man Essig, und besser allein als in Mädchen gewendet, sagte sie: Du hast in der Kirche geweint, als du mit Agenore ausgerufen wurdest. Wenn du einen Kummer hast, warum klagst du ihn nicht Denen, die dir helfen können? Es ist unnütz, sagte Gigia. Unnütz! wie kannst du's wissen! rief die Signora eifrig. Gott sei Dank, die Zeiten sind vorüber in unserm Italien, da die Mädchen zu verhaßten Ehen gezwungen wurden. Du, die Bäuerin, bist eine freie Italienerin, so gut wie ich, die Signora; wenn du es nicht weißt, so laß es dir von mir sagen, und nun sprich: du magst den Agenore nicht zum Manne? — Was liegt daran, ob ich ihn mag oder nicht; ich muß ihn heirathen. Du mußt? Schäme dich, meine Tochter! kein Mädchen muß einen Mann heirathen, gegen den sein Herz sich auflehnt. Freilich, es sollte sich auch nicht mit ihm verloben. O Signora mia, es war nicht meine Schuld, ich konnte nicht anders. Also ist's wahr? Du hättest ihn nur hindern wollen, dem Maso ein Leid anzuthun? Ja, Illustrissima. Aber nun ist es geschehen; nun kann mir nicht mehr geholfen werden. Warum nicht? eine Verlobung ist noch keine Ehe, nur die Ehe ist heilig und unauflöslich, eben darum soll man sie willig eingehen und in Liebe, denn mit Gewalt macht man Essig, und besser allein als in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056"/> Mädchen gewendet, sagte sie: Du hast in der Kirche geweint, als du mit Agenore ausgerufen wurdest. Wenn du einen Kummer hast, warum klagst du ihn nicht Denen, die dir helfen können?</p><lb/> <p>Es ist unnütz, sagte Gigia.</p><lb/> <p>Unnütz! wie kannst du's wissen! rief die Signora eifrig. Gott sei Dank, die Zeiten sind vorüber in unserm Italien, da die Mädchen zu verhaßten Ehen gezwungen wurden. Du, die Bäuerin, bist eine freie Italienerin, so gut wie ich, die Signora; wenn du es nicht weißt, so laß es dir von mir sagen, und nun sprich: du magst den Agenore nicht zum Manne? —</p><lb/> <p>Was liegt daran, ob ich ihn mag oder nicht; ich muß ihn heirathen.</p><lb/> <p>Du mußt? Schäme dich, meine Tochter! kein Mädchen muß einen Mann heirathen, gegen den sein Herz sich auflehnt. Freilich, es sollte sich auch nicht mit ihm verloben.</p><lb/> <p>O <hi rendition="#aq">Signora mia,</hi> es war nicht meine Schuld, ich konnte nicht anders.</p><lb/> <p>Also ist's wahr? Du hättest ihn nur hindern wollen, dem Maso ein Leid anzuthun?</p><lb/> <p>Ja, Illustrissima. Aber nun ist es geschehen; nun kann mir nicht mehr geholfen werden.</p><lb/> <p>Warum nicht? eine Verlobung ist noch keine Ehe, nur die Ehe ist heilig und unauflöslich, eben darum soll man sie willig eingehen und in Liebe, denn mit Gewalt macht man Essig, und besser allein als in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
Mädchen gewendet, sagte sie: Du hast in der Kirche geweint, als du mit Agenore ausgerufen wurdest. Wenn du einen Kummer hast, warum klagst du ihn nicht Denen, die dir helfen können?
Es ist unnütz, sagte Gigia.
Unnütz! wie kannst du's wissen! rief die Signora eifrig. Gott sei Dank, die Zeiten sind vorüber in unserm Italien, da die Mädchen zu verhaßten Ehen gezwungen wurden. Du, die Bäuerin, bist eine freie Italienerin, so gut wie ich, die Signora; wenn du es nicht weißt, so laß es dir von mir sagen, und nun sprich: du magst den Agenore nicht zum Manne? —
Was liegt daran, ob ich ihn mag oder nicht; ich muß ihn heirathen.
Du mußt? Schäme dich, meine Tochter! kein Mädchen muß einen Mann heirathen, gegen den sein Herz sich auflehnt. Freilich, es sollte sich auch nicht mit ihm verloben.
O Signora mia, es war nicht meine Schuld, ich konnte nicht anders.
Also ist's wahr? Du hättest ihn nur hindern wollen, dem Maso ein Leid anzuthun?
Ja, Illustrissima. Aber nun ist es geschehen; nun kann mir nicht mehr geholfen werden.
Warum nicht? eine Verlobung ist noch keine Ehe, nur die Ehe ist heilig und unauflöslich, eben darum soll man sie willig eingehen und in Liebe, denn mit Gewalt macht man Essig, und besser allein als in
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