Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890. Toni: Sie ist ja so krank! Selicke (ihr nachäffend): "Sie ist so krank!" ... Ae! Hab' Dich doch, alte Suse! -- "Sie ist so krank!" .. "Piep, piep, piep!" ... "Ach, Herr Jemine!" ... Das arme Mädchen! Wie die sich vor ihrem Vater ängstigen muss! -- Mach, dass Du wegkommst! ... Mag Dich nich sehn! (Die letzten Worte zornig, bedrohend. Die Flurthür ist ein wenig aufgegangen. Frau Selicke schreit auf). Aah! ... Sieh mal! .. Da steckste, mein süsses Lamm? (Lacht, taumelt an Toni vorbei auf die Flurthür zu. Draussen wird hastig die äussere Flur- thür aufgerissen. Es poltert die Treppe hinunter. -- Selicke öffnet die Thür.) Na, so 'ne Komödie! ... Kuckt, wie die Alte rennen kann (zeigt in das Entree) mit ihrem schlimmen Fusse! ... Ne! ... Hähähä! ... Wie se humpeln kann! .. Hopp, hopp, hopp! ... Wie der Wind! ... Haste nich gesehn! ... Wie'n Schnelllöfer! ... (Lacht, schüttelt dann aber plötzlich die Faust nach dem Flur, ruft unterdrückt) Du, altes Th. .. Du willst 'ne Mutter sein?! ... Ach, Du! -- Du! -- Du! ... Unglücklich hast Du mich gemacht! Unglücklich! ... (Kommt zurück; während er an Toni vobeikommt) Na, Du? ... "Sie ist so krank!" ... Ae! Weg! ... Lass mich vorbei! (Tappt wieder zum Bett und will sich drüber bücken.) Toni (ihm nach): Vater! Lass jetzt das Kind! -- (Sie stösst ihm mit der Hand gegen die Schulter). Selicke (richtet sich in die Höhe.): Waaas?!! ... Waaas?!! Du -- willst -- Dich -- an Deinem Vater -- vergreifen?! Waaas?!! ... I, nu seht doch mal! (Kommt auf sie zu. Toni ist zurückgetreten und lehnt an der Wand. Regungslos. Hände zusammengekrampft. Sie sieht ihm starr in's Gesicht. Ihre Lippen zucken. Die Thränen laufen ihr über die Backen.) 5
Toni: Sie ist ja so krank! Selicke (ihr nachäffend): „Sie ist so krank!“ … Ae! Hab’ Dich doch, alte Suse! — „Sie ist so krank!“ .. „Piep, piep, piep!“ … „Ach, Herr Jemine!“ … Das arme Mädchen! Wie die sich vor ihrem Vater ängstigen muss! — Mach, dass Du wegkommst! … Mag Dich nich sehn! (Die letzten Worte zornig, bedrohend. Die Flurthür ist ein wenig aufgegangen. Frau Selicke schreit auf). Aah! … Sieh mal! .. Da steckste, mein süsses Lamm? (Lacht, taumelt an Toni vorbei auf die Flurthür zu. Draussen wird hastig die äussere Flur- thür aufgerissen. Es poltert die Treppe hinunter. — Selicke öffnet die Thür.) Na, so ’ne Komödie! … Kuckt, wie die Alte rennen kann (zeigt in das Entrée) mit ihrem schlimmen Fusse! … Ne! … Hähähä! … Wie se humpeln kann! .. Hopp, hopp, hopp! … Wie der Wind! … Haste nich gesehn! … Wie’n Schnelllöfer! … (Lacht, schüttelt dann aber plötzlich die Faust nach dem Flur, ruft unterdrückt) Du, altes Th. .. Du willst ’ne Mutter sein?! … Ach, Du! — Du! — Du! … Unglücklich hast Du mich gemacht! Unglücklich! … (Kommt zurück; während er an Toni vobeikommt) Na, Du? … „Sie ist so krank!“ … Ae! Weg! … Lass mich vorbei! (Tappt wieder zum Bett und will sich drüber bücken.) Toni (ihm nach): Vater! Lass jetzt das Kind! — (Sie stösst ihm mit der Hand gegen die Schulter). Selicke (richtet sich in die Höhe.): Waaas?!! … Waaas?!! Du — willst — Dich — an Deinem Vater — vergreifen?! Waaas?!! … I, nu seht doch mal! (Kommt auf sie zu. Toni ist zurückgetreten und lehnt an der Wand. Regungslos. Hände zusammengekrampft. Sie sieht ihm starr in’s Gesicht. Ihre Lippen zucken. Die Thränen laufen ihr über die Backen.) 5
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Toni: Sie ist ja so krank!
Selicke (ihr nachäffend): „Sie ist so krank!“ …
Ae! Hab’ Dich doch, alte Suse! — „Sie ist so
krank!“ .. „Piep, piep, piep!“ … „Ach, Herr
Jemine!“ … Das arme Mädchen! Wie die sich
vor ihrem Vater ängstigen muss! — Mach, dass
Du wegkommst! … Mag Dich nich sehn! (Die
letzten Worte zornig, bedrohend. Die Flurthür ist ein
wenig aufgegangen. Frau Selicke schreit auf).
Aah! … Sieh mal! .. Da steckste, mein süsses
Lamm? (Lacht, taumelt an Toni vorbei auf die
Flurthür zu. Draussen wird hastig die äussere Flur-
thür aufgerissen. Es poltert die Treppe hinunter. —
Selicke öffnet die Thür.) Na, so ’ne Komödie! …
Kuckt, wie die Alte rennen kann (zeigt in das
Entrée) mit ihrem schlimmen Fusse! … Ne! …
Hähähä! … Wie se humpeln kann! .. Hopp,
hopp, hopp! … Wie der Wind! … Haste
nich gesehn! … Wie’n Schnelllöfer! … (Lacht,
schüttelt dann aber plötzlich die Faust nach dem Flur,
ruft unterdrückt) Du, altes Th. .. Du willst ’ne
Mutter sein?! … Ach, Du! — Du! — Du! …
Unglücklich hast Du mich gemacht! Unglücklich!
… (Kommt zurück; während er an Toni vobeikommt)
Na, Du? … „Sie ist so krank!“ … Ae!
Weg! … Lass mich vorbei! (Tappt wieder zum
Bett und will sich drüber bücken.)
Toni (ihm nach): Vater! Lass jetzt das Kind! —
(Sie stösst ihm mit der Hand gegen die Schulter).
Selicke (richtet sich in die Höhe.): Waaas?!!
… Waaas?!! Du — willst — Dich — an
Deinem Vater — vergreifen?! Waaas?!! …
I, nu seht doch mal! (Kommt auf sie zu. Toni ist
zurückgetreten und lehnt an der Wand. Regungslos.
Hände zusammengekrampft. Sie sieht ihm starr in’s
Gesicht. Ihre Lippen zucken. Die Thränen laufen
ihr über die Backen.)
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Zitationshilfe: | Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_selicke_1890/87>, abgerufen am 16.02.2025. |