Holz, Arno: Phantasus. 1. Heft. Berlin, 1898.Mich schuf Korinth, ich sah das Meer. Tausend Jahre unter Schutt und Tempeltrümmern lag ich in schwarzer Erde. Zwischen roten Disteln im Abendschein weideten Ziegen, über mein blühendes Grab bliesen Hirten. Tausend Jahre war ich tot. Heut scheint die Sonne, der Himmel lacht, ich lebe! Im alten Park steh ich nackt aus weissem Marmor. Auf meine Schultern durch gezacktes Laub fallen zitternde Tupfen. Meine Augen, weit geöffnet, starren auf ein grünes Wasser. In breiten, überhängenden Kastanienblättern spiegelt sich und zuckt sein Licht. Mich schuf Korinth, ich sah das Meer. Tausend Jahre unter Schutt und Tempeltrümmern lag ich in schwarzer Erde. Zwischen roten Disteln im Abendschein weideten Ziegen, über mein blühendes Grab bliesen Hirten. Tausend Jahre war ich tot. Heut scheint die Sonne, der Himmel lacht, ich lebe! Im alten Park steh ich nackt aus weissem Marmor. Auf meine Schultern durch gezacktes Laub fallen zitternde Tupfen. Meine Augen, weit geöffnet, starren auf ein grünes Wasser. In breiten, überhängenden Kastanienblättern spiegelt sich und zuckt sein Licht. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0039"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l rendition="#c">Mich schuf Korinth, ich sah das Meer.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l rendition="#c">Tausend Jahre</l><lb/> <l rendition="#c">unter Schutt und Tempeltrümmern</l><lb/> <l rendition="#c">lag ich in schwarzer Erde.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l rendition="#c">Zwischen roten Disteln im Abendschein weideten Ziegen,</l><lb/> <l rendition="#c">über mein blühendes Grab bliesen Hirten.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l rendition="#c">Tausend Jahre war ich tot.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l rendition="#c">Heut scheint die Sonne, der Himmel lacht, ich lebe!</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l rendition="#c">Im alten Park</l><lb/> <l rendition="#c">steh ich nackt aus weissem Marmor.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l rendition="#c">Auf meine Schultern</l><lb/> <l rendition="#c">durch gezacktes Laub</l><lb/> <l rendition="#c">fallen zitternde Tupfen.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l rendition="#c">Meine Augen,</l><lb/> <l rendition="#c">weit geöffnet,</l><lb/> <l rendition="#c">starren auf ein grünes Wasser.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l rendition="#c">In breiten, überhängenden Kastanienblättern</l><lb/> <l rendition="#c">spiegelt sich und zuckt</l><lb/> <l rendition="#c">sein Licht.</l> </lg><lb/> </lg> </body> </text> </TEI> [0039]
Mich schuf Korinth, ich sah das Meer.
Tausend Jahre
unter Schutt und Tempeltrümmern
lag ich in schwarzer Erde.
Zwischen roten Disteln im Abendschein weideten Ziegen,
über mein blühendes Grab bliesen Hirten.
Tausend Jahre war ich tot.
Heut scheint die Sonne, der Himmel lacht, ich lebe!
Im alten Park
steh ich nackt aus weissem Marmor.
Auf meine Schultern
durch gezacktes Laub
fallen zitternde Tupfen.
Meine Augen,
weit geöffnet,
starren auf ein grünes Wasser.
In breiten, überhängenden Kastanienblättern
spiegelt sich und zuckt
sein Licht.
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