Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Die Noth im löchrigen Gewande Zertritt die Perle der Moral; Das Loos der Armuth ist die Schande, Das Loos der Schande der Spital! Ja, jede Großstadt ist ein Zwinger, Der roth von Blut und Thränen dampft; Drum hütet euch, ihr armen Dinger, Denn diese Welt hat schmutzge Finger -- Weh, wem sie sie ins Herzfleisch krampft! Da horch! ein langgezognes Stöhnen Und jetzt ein wilder, geller Schrei! Was thut's? Man muß sich dran gewöhnen! Hier hieß es wieder mal: "Vorbei!" Schon übermorgen karrt der Racker Das arme Mädel vor die Stadt Und niemand kennt den Todtenacker, Darauf beim öden Sterngeflacker Ein Herz sein Glück gefunden hat! Die Noth im löchrigen Gewande Zertritt die Perle der Moral; Das Loos der Armuth iſt die Schande, Das Loos der Schande der Spital! Ja, jede Großſtadt iſt ein Zwinger, Der roth von Blut und Thränen dampft; Drum hütet euch, ihr armen Dinger, Denn dieſe Welt hat ſchmutzge Finger — Weh, wem ſie ſie ins Herzfleiſch krampft! Da horch! ein langgezognes Stöhnen Und jetzt ein wilder, geller Schrei! Was thut's? Man muß ſich dran gewöhnen! Hier hieß es wieder mal: „Vorbei!“ Schon übermorgen karrt der Racker Das arme Mädel vor die Stadt Und niemand kennt den Todtenacker, Darauf beim öden Sterngeflacker Ein Herz ſein Glück gefunden hat! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0433" n="411"/> <lg n="3"> <l>Die Noth im löchrigen Gewande</l><lb/> <l>Zertritt die Perle der Moral;</l><lb/> <l>Das Loos der Armuth iſt die Schande,</l><lb/> <l>Das Loos der Schande der Spital!</l><lb/> <l>Ja, jede Großſtadt iſt ein Zwinger,</l><lb/> <l>Der roth von Blut und Thränen dampft;</l><lb/> <l>Drum hütet euch, ihr armen Dinger,</l><lb/> <l>Denn dieſe Welt hat ſchmutzge Finger —</l><lb/> <l>Weh, wem ſie ſie ins Herzfleiſch krampft!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Da horch! ein langgezognes Stöhnen</l><lb/> <l>Und jetzt ein wilder, geller Schrei!</l><lb/> <l>Was thut's? Man muß ſich dran gewöhnen!</l><lb/> <l>Hier hieß es wieder mal: „Vorbei!“</l><lb/> <l>Schon übermorgen karrt der Racker</l><lb/> <l>Das arme Mädel vor die Stadt</l><lb/> <l>Und niemand kennt den Todtenacker,</l><lb/> <l>Darauf beim öden Sterngeflacker</l><lb/> <l>Ein Herz ſein Glück gefunden hat!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [411/0433]
Die Noth im löchrigen Gewande
Zertritt die Perle der Moral;
Das Loos der Armuth iſt die Schande,
Das Loos der Schande der Spital!
Ja, jede Großſtadt iſt ein Zwinger,
Der roth von Blut und Thränen dampft;
Drum hütet euch, ihr armen Dinger,
Denn dieſe Welt hat ſchmutzge Finger —
Weh, wem ſie ſie ins Herzfleiſch krampft!
Da horch! ein langgezognes Stöhnen
Und jetzt ein wilder, geller Schrei!
Was thut's? Man muß ſich dran gewöhnen!
Hier hieß es wieder mal: „Vorbei!“
Schon übermorgen karrt der Racker
Das arme Mädel vor die Stadt
Und niemand kennt den Todtenacker,
Darauf beim öden Sterngeflacker
Ein Herz ſein Glück gefunden hat!
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Zitationshilfe: | Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/433>, abgerufen am 16.02.2025. |