Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Rhythmisch reihte sich Vers an Vers an Und schneller rollte mein Blut Von Strophe zu Strophe, Ungestüm wie ein Katarakt, Der sich durch die Gewitternacht Wild übers Wehr stürzt; Denn um mich webte, Gestaltlos und dunkel, Ein faustisches Etwas Und blies mir ins Ohr Wort auf Wort. Und neue Gedanken, nie gedachte,
Wuchsen gigantisch aus meinem Gehirn auf. In nie erforschte Zeiten und Zonen Tauchten sie wahrheitssuchend hinab, Wie die farbigen Taucher ins indische Meer Perlenfischend; Mit Erden und Sonnen spielten sie Fangball Und Völkern und Königen raubten sie Hohnlachend die goldenen Kronen, Die die kalte Berechung Einer herzverkrüppelten Selbstsucht Der armen, blutiggegeißelten Menschheit, Der göttlichen Dulderin, schlangenklug Als Fetische neben den Brotkorb gehangen, Jahrhundertelang! Rhythmiſch reihte ſich Vers an Vers an Und ſchneller rollte mein Blut Von Strophe zu Strophe, Ungeſtüm wie ein Katarakt, Der ſich durch die Gewitternacht Wild übers Wehr ſtürzt; Denn um mich webte, Geſtaltlos und dunkel, Ein fauſtiſches Etwas Und blies mir ins Ohr Wort auf Wort. Und neue Gedanken, nie gedachte,
Wuchſen gigantiſch aus meinem Gehirn auf. In nie erforſchte Zeiten und Zonen Tauchten ſie wahrheitsſuchend hinab, Wie die farbigen Taucher ins indiſche Meer Perlenfiſchend; Mit Erden und Sonnen ſpielten ſie Fangball Und Völkern und Königen raubten ſie Hohnlachend die goldenen Kronen, Die die kalte Berechung Einer herzverkrüppelten Selbſtſucht Der armen, blutiggegeißelten Menſchheit, Der göttlichen Dulderin, ſchlangenklug Als Fetiſche neben den Brotkorb gehangen, Jahrhundertelang! <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0285" n="263"/> <lg n="4"> <l>Rhythmiſch reihte ſich Vers an Vers an</l><lb/> <l>Und ſchneller rollte mein Blut</l><lb/> <l>Von Strophe zu Strophe,</l><lb/> <l>Ungeſtüm wie ein Katarakt,</l><lb/> <l>Der ſich durch die Gewitternacht</l><lb/> <l>Wild übers Wehr ſtürzt;</l><lb/> <l>Denn um mich webte,</l><lb/> <l>Geſtaltlos und dunkel,</l><lb/> <l>Ein fauſtiſches Etwas</l><lb/> <l>Und blies mir ins Ohr</l><lb/> <l>Wort auf Wort.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Und neue Gedanken, nie gedachte,</l><lb/> <l>Wuchſen gigantiſch aus meinem Gehirn auf.</l><lb/> <l>In nie erforſchte Zeiten und Zonen</l><lb/> <l>Tauchten ſie wahrheitsſuchend hinab,</l><lb/> <l>Wie die farbigen Taucher ins indiſche Meer</l><lb/> <l>Perlenfiſchend;</l><lb/> <l>Mit Erden und Sonnen ſpielten ſie Fangball</l><lb/> <l>Und Völkern und Königen raubten ſie</l><lb/> <l>Hohnlachend die goldenen Kronen,</l><lb/> <l>Die die kalte Berechung</l><lb/> <l>Einer herzverkrüppelten Selbſtſucht</l><lb/> <l>Der armen, blutiggegeißelten Menſchheit,</l><lb/> <l>Der göttlichen Dulderin, ſchlangenklug</l><lb/> <l>Als Fetiſche neben den Brotkorb gehangen,</l><lb/> <l>Jahrhundertelang!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [263/0285]
Rhythmiſch reihte ſich Vers an Vers an
Und ſchneller rollte mein Blut
Von Strophe zu Strophe,
Ungeſtüm wie ein Katarakt,
Der ſich durch die Gewitternacht
Wild übers Wehr ſtürzt;
Denn um mich webte,
Geſtaltlos und dunkel,
Ein fauſtiſches Etwas
Und blies mir ins Ohr
Wort auf Wort.
Und neue Gedanken, nie gedachte,
Wuchſen gigantiſch aus meinem Gehirn auf.
In nie erforſchte Zeiten und Zonen
Tauchten ſie wahrheitsſuchend hinab,
Wie die farbigen Taucher ins indiſche Meer
Perlenfiſchend;
Mit Erden und Sonnen ſpielten ſie Fangball
Und Völkern und Königen raubten ſie
Hohnlachend die goldenen Kronen,
Die die kalte Berechung
Einer herzverkrüppelten Selbſtſucht
Der armen, blutiggegeißelten Menſchheit,
Der göttlichen Dulderin, ſchlangenklug
Als Fetiſche neben den Brotkorb gehangen,
Jahrhundertelang!
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