Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Doch wem sich das Geheimniß der Natur
Nicht unterm Sternenzelt mag offenbaren,
Der wandle mit mir durch die Erdenflur,
So wie sie war vor hunderttausend Jahren.
Noch stritt kein Jason um das goldne Vließ,
Die Menschheit knechtete kein Triumphator,
Doch endlos dehnte sich ein Paradies
Vom Nordpol bis hinunter zum Aequator.
Wo heute sich durch eisumstarrten Belt
Die Walfischfahrer ihre Straße bahnen,
Erhub sich ehmals eine Inselwelt,
Beblüht von üppig wuchernden Bananen.
Und lächelnd kränzte sich die Meeresfee
Mit bunten Perlenmuscheln und Korallen,
Wo längst verweht vom Wüstenkörnerschnee
Die Isistempel in sich selbst zerfallen.
Nicht trübte schon den funkelnden Azur
Der Riesenschlote schmutzigfeuchter Brodem,
Denn unentweiht noch träumte die Natur
Und jeder Windhauch war ein Gottesodem.
Kein Erdgeborner fühlte sich entbrannt
Nach fremden Wundern einer fremden Zone
Und brach mit seiner frevlen Menschenhand
Sich Stein auf Stein aus Gottes Schöpfungskrone.
Doch wem ſich das Geheimniß der Natur
Nicht unterm Sternenzelt mag offenbaren,
Der wandle mit mir durch die Erdenflur,
So wie ſie war vor hunderttauſend Jahren.
Noch ſtritt kein Jaſon um das goldne Vließ,
Die Menſchheit knechtete kein Triumphator,
Doch endlos dehnte ſich ein Paradies
Vom Nordpol bis hinunter zum Aequator.
Wo heute ſich durch eisumſtarrten Belt
Die Walfiſchfahrer ihre Straße bahnen,
Erhub ſich ehmals eine Inſelwelt,
Beblüht von üppig wuchernden Bananen.
Und lächelnd kränzte ſich die Meeresfee
Mit bunten Perlenmuſcheln und Korallen,
Wo längſt verweht vom Wüſtenkörnerſchnee
Die Iſistempel in ſich ſelbſt zerfallen.
Nicht trübte ſchon den funkelnden Azur
Der Rieſenſchlote ſchmutzigfeuchter Brodem,
Denn unentweiht noch träumte die Natur
Und jeder Windhauch war ein Gottesodem.
Kein Erdgeborner fühlte ſich entbrannt
Nach fremden Wundern einer fremden Zone
Und brach mit ſeiner frevlen Menſchenhand
Sich Stein auf Stein aus Gottes Schöpfungskrone.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0178" n="156"/>
          <lg n="3">
            <l>Doch wem &#x017F;ich das Geheimniß der Natur</l><lb/>
            <l>Nicht unterm Sternenzelt mag offenbaren,</l><lb/>
            <l>Der wandle mit mir durch die Erdenflur,</l><lb/>
            <l>So wie &#x017F;ie war vor hunderttau&#x017F;end Jahren.</l><lb/>
            <l>Noch &#x017F;tritt kein Ja&#x017F;on um das goldne Vließ,</l><lb/>
            <l>Die Men&#x017F;chheit knechtete kein Triumphator,</l><lb/>
            <l>Doch endlos dehnte &#x017F;ich ein Paradies</l><lb/>
            <l>Vom Nordpol bis hinunter zum Aequator.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="4">
            <l>Wo heute &#x017F;ich durch eisum&#x017F;tarrten Belt</l><lb/>
            <l>Die Walfi&#x017F;chfahrer ihre Straße bahnen,</l><lb/>
            <l>Erhub &#x017F;ich ehmals eine In&#x017F;elwelt,</l><lb/>
            <l>Beblüht von üppig wuchernden Bananen.</l><lb/>
            <l>Und lächelnd kränzte &#x017F;ich die Meeresfee</l><lb/>
            <l>Mit bunten Perlenmu&#x017F;cheln und Korallen,</l><lb/>
            <l>Wo läng&#x017F;t verweht vom Wü&#x017F;tenkörner&#x017F;chnee</l><lb/>
            <l>Die I&#x017F;istempel in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zerfallen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="5">
            <l>Nicht trübte &#x017F;chon den funkelnden Azur</l><lb/>
            <l>Der Rie&#x017F;en&#x017F;chlote &#x017F;chmutzigfeuchter Brodem,</l><lb/>
            <l>Denn unentweiht noch träumte die Natur</l><lb/>
            <l>Und jeder Windhauch war ein Gottesodem.</l><lb/>
            <l>Kein Erdgeborner fühlte &#x017F;ich entbrannt</l><lb/>
            <l>Nach fremden Wundern einer fremden Zone</l><lb/>
            <l>Und brach mit &#x017F;einer frevlen Men&#x017F;chenhand</l><lb/>
            <l>Sich Stein auf Stein aus Gottes Schöpfungskrone.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0178] Doch wem ſich das Geheimniß der Natur Nicht unterm Sternenzelt mag offenbaren, Der wandle mit mir durch die Erdenflur, So wie ſie war vor hunderttauſend Jahren. Noch ſtritt kein Jaſon um das goldne Vließ, Die Menſchheit knechtete kein Triumphator, Doch endlos dehnte ſich ein Paradies Vom Nordpol bis hinunter zum Aequator. Wo heute ſich durch eisumſtarrten Belt Die Walfiſchfahrer ihre Straße bahnen, Erhub ſich ehmals eine Inſelwelt, Beblüht von üppig wuchernden Bananen. Und lächelnd kränzte ſich die Meeresfee Mit bunten Perlenmuſcheln und Korallen, Wo längſt verweht vom Wüſtenkörnerſchnee Die Iſistempel in ſich ſelbſt zerfallen. Nicht trübte ſchon den funkelnden Azur Der Rieſenſchlote ſchmutzigfeuchter Brodem, Denn unentweiht noch träumte die Natur Und jeder Windhauch war ein Gottesodem. Kein Erdgeborner fühlte ſich entbrannt Nach fremden Wundern einer fremden Zone Und brach mit ſeiner frevlen Menſchenhand Sich Stein auf Stein aus Gottes Schöpfungskrone.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/178
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/178>, abgerufen am 22.11.2024.