Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Ein goldig grüner Schimmer blinkte
Auf uns herab aus dem Gestein Und tief im Hintergrunde winkte Uns fernher rother Ampeln Schein. Dann that, umrauscht vom Tropfenfalle, Sich prächtig eine weite Halle Vor den erstaunten Augen auf; Und horch, ein Sänger schlug die Zither Und um ihn drängten sich die Ritter, Am Gurt das Schwert, die Hand am Knauf. Die Panzer schmückten Eichenreiser Und nieder setzte sich der Kaiser An seinen Tisch von Marmelstein, Die Häupter sah man rings sich neigen, Und plötzlich dann ein großes Schweigen Und wach blieb nur der Schlaf allein. Da stand ich mit gelähmten Händen, Das Wasser tropfte von den Wänden Und dunkel brach die Nacht herein, Und über uns auf grüner Erde Schlug wild die Zeit auf ihre Pferde, Die rollenden Jahrzehnte, ein. Die "kaiserlose" Zeit vertollte Und auf Neapels Marktplatz rollte Das blonde Haupt des Konradin; Die Hansa baute ihre Flotten, Die Frau Scholastik fing sich Motten Und Straßburgs Münster schuf Erwin. Ein goldig grüner Schimmer blinkte
Auf uns herab aus dem Geſtein Und tief im Hintergrunde winkte Uns fernher rother Ampeln Schein. Dann that, umrauſcht vom Tropfenfalle, Sich prächtig eine weite Halle Vor den erſtaunten Augen auf; Und horch, ein Sänger ſchlug die Zither Und um ihn drängten ſich die Ritter, Am Gurt das Schwert, die Hand am Knauf. Die Panzer ſchmückten Eichenreiſer Und nieder ſetzte ſich der Kaiſer An ſeinen Tiſch von Marmelſtein, Die Häupter ſah man rings ſich neigen, Und plötzlich dann ein großes Schweigen Und wach blieb nur der Schlaf allein. Da ſtand ich mit gelähmten Händen, Das Waſſer tropfte von den Wänden Und dunkel brach die Nacht herein, Und über uns auf grüner Erde Schlug wild die Zeit auf ihre Pferde, Die rollenden Jahrzehnte, ein. Die „kaiſerloſe“ Zeit vertollte Und auf Neapels Marktplatz rollte Das blonde Haupt des Konradin; Die Hanſa baute ihre Flotten, Die Frau Scholaſtik fing ſich Motten Und Straßburgs Münſter ſchuf Erwin. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0163" n="141"/> <lg n="33"> <l>Ein goldig grüner Schimmer blinkte</l><lb/> <l>Auf uns herab aus dem Geſtein</l><lb/> <l>Und tief im Hintergrunde winkte</l><lb/> <l>Uns fernher rother Ampeln Schein.</l><lb/> <l>Dann that, umrauſcht vom Tropfenfalle,</l><lb/> <l>Sich prächtig eine weite Halle</l><lb/> <l>Vor den erſtaunten Augen auf;</l><lb/> <l>Und horch, ein Sänger ſchlug die Zither</l><lb/> <l>Und um ihn drängten ſich die Ritter,</l><lb/> <l>Am Gurt das Schwert, die Hand am Knauf.</l><lb/> <l>Die Panzer ſchmückten Eichenreiſer</l><lb/> <l>Und nieder ſetzte ſich der Kaiſer</l><lb/> <l>An ſeinen Tiſch von Marmelſtein,</l><lb/> <l>Die Häupter ſah man rings ſich neigen,</l><lb/> <l>Und plötzlich dann ein großes Schweigen</l><lb/> <l>Und wach blieb nur der Schlaf allein.</l><lb/> <l>Da ſtand ich mit gelähmten Händen,</l><lb/> <l>Das Waſſer tropfte von den Wänden</l><lb/> <l>Und dunkel brach die Nacht herein,</l><lb/> <l>Und über uns auf grüner Erde</l><lb/> <l>Schlug wild die Zeit auf ihre Pferde,</l><lb/> <l>Die rollenden Jahrzehnte, ein.</l><lb/> <l>Die „kaiſerloſe“ Zeit vertollte</l><lb/> <l>Und auf Neapels Marktplatz rollte</l><lb/> <l>Das blonde Haupt des Konradin;</l><lb/> <l>Die Hanſa baute ihre Flotten,</l><lb/> <l>Die Frau Scholaſtik fing ſich Motten</l><lb/> <l>Und Straßburgs Münſter ſchuf Erwin.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [141/0163]
Ein goldig grüner Schimmer blinkte
Auf uns herab aus dem Geſtein
Und tief im Hintergrunde winkte
Uns fernher rother Ampeln Schein.
Dann that, umrauſcht vom Tropfenfalle,
Sich prächtig eine weite Halle
Vor den erſtaunten Augen auf;
Und horch, ein Sänger ſchlug die Zither
Und um ihn drängten ſich die Ritter,
Am Gurt das Schwert, die Hand am Knauf.
Die Panzer ſchmückten Eichenreiſer
Und nieder ſetzte ſich der Kaiſer
An ſeinen Tiſch von Marmelſtein,
Die Häupter ſah man rings ſich neigen,
Und plötzlich dann ein großes Schweigen
Und wach blieb nur der Schlaf allein.
Da ſtand ich mit gelähmten Händen,
Das Waſſer tropfte von den Wänden
Und dunkel brach die Nacht herein,
Und über uns auf grüner Erde
Schlug wild die Zeit auf ihre Pferde,
Die rollenden Jahrzehnte, ein.
Die „kaiſerloſe“ Zeit vertollte
Und auf Neapels Marktplatz rollte
Das blonde Haupt des Konradin;
Die Hanſa baute ihre Flotten,
Die Frau Scholaſtik fing ſich Motten
Und Straßburgs Münſter ſchuf Erwin.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/163 |
Zitationshilfe: | Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/163>, abgerufen am 16.02.2025. |