Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Und wieder dacht ich dann begeistert Des Sängers, der dies Lied einst sang, Der eine Welt mit ihm bemeistert Und Zeit und Raum mit ihm bezwang. Saß er jetzt auch in sich versunken, Ein Liederbuch auf seinen Knien, Und lauschte lenz- und wohllautstrunken Dem Glockenspiel von St. Marien? Er, der Brundhilde, die Walkyre, Aus Island rief an unsern Rhein ... Da horch, ein Klopfen an der Thüre Und laut erschallte mein Herein! Und eilvoll trat zu mir ins Zimmer Mein Freund, der mir die Rechte bot; Schon seines Auges feuchter Schimmer Sprach, eh's sein Mund sprach: Er ist todt! Er starb, noch eh die Morgenröthe,
Eh sich die Nacht ins Auge sahn; Mit Uhland, Schiller und mit Goethe Wallt nun auch Geibel seine Bahn. Die Stirn vom Lorbeer sanft umfächelt, Mit seinem Herrn ist er vereint; Sein bleiches Antlitz liegt und lächelt, Die ewge Liebe aber weint. -- Und wieder dacht ich dann begeiſtert Des Sängers, der dies Lied einſt ſang, Der eine Welt mit ihm bemeiſtert Und Zeit und Raum mit ihm bezwang. Saß er jetzt auch in ſich verſunken, Ein Liederbuch auf ſeinen Knien, Und lauſchte lenz- und wohllautstrunken Dem Glockenſpiel von St. Marien? Er, der Brundhilde, die Walkyre, Aus Island rief an unſern Rhein ... Da horch, ein Klopfen an der Thüre Und laut erſchallte mein Herein! Und eilvoll trat zu mir ins Zimmer Mein Freund, der mir die Rechte bot; Schon ſeines Auges feuchter Schimmer Sprach, eh's ſein Mund ſprach: Er iſt todt! Er ſtarb, noch eh die Morgenröthe,
Eh ſich die Nacht ins Auge ſahn; Mit Uhland, Schiller und mit Goethe Wallt nun auch Geibel ſeine Bahn. Die Stirn vom Lorbeer ſanft umfächelt, Mit ſeinem Herrn iſt er vereint; Sein bleiches Antlitz liegt und lächelt, Die ewge Liebe aber weint. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0127" n="105"/> <lg n="12"> <l>Und wieder dacht ich dann begeiſtert</l><lb/> <l>Des Sängers, der dies Lied einſt ſang,</l><lb/> <l>Der eine Welt mit ihm bemeiſtert</l><lb/> <l>Und Zeit und Raum mit ihm bezwang.</l><lb/> <l>Saß er jetzt auch in ſich verſunken,</l><lb/> <l>Ein Liederbuch auf ſeinen Knien,</l><lb/> <l>Und lauſchte lenz- und wohllautstrunken</l><lb/> <l>Dem Glockenſpiel von St. Marien?</l><lb/> </lg> <lg n="13"> <l>Er, der Brundhilde, die Walkyre,</l><lb/> <l>Aus Island rief an unſern Rhein ...</l><lb/> <l>Da horch, ein Klopfen an der Thüre</l><lb/> <l>Und laut erſchallte mein Herein!</l><lb/> <l>Und eilvoll trat zu mir ins Zimmer</l><lb/> <l>Mein Freund, der mir die Rechte bot;</l><lb/> <l>Schon ſeines Auges feuchter Schimmer</l><lb/> <l>Sprach, eh's ſein Mund ſprach: Er iſt todt!</l><lb/> </lg> <lg n="14"> <l>Er ſtarb, noch eh die Morgenröthe,</l><lb/> <l>Eh ſich die Nacht ins Auge ſahn;</l><lb/> <l>Mit Uhland, Schiller und mit Goethe</l><lb/> <l>Wallt nun auch Geibel ſeine Bahn.</l><lb/> <l>Die Stirn vom Lorbeer ſanft umfächelt,</l><lb/> <l>Mit ſeinem Herrn iſt er vereint;</l><lb/> <l>Sein bleiches Antlitz liegt und lächelt,</l><lb/> <l>Die ewge Liebe aber weint. —</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0127]
Und wieder dacht ich dann begeiſtert
Des Sängers, der dies Lied einſt ſang,
Der eine Welt mit ihm bemeiſtert
Und Zeit und Raum mit ihm bezwang.
Saß er jetzt auch in ſich verſunken,
Ein Liederbuch auf ſeinen Knien,
Und lauſchte lenz- und wohllautstrunken
Dem Glockenſpiel von St. Marien?
Er, der Brundhilde, die Walkyre,
Aus Island rief an unſern Rhein ...
Da horch, ein Klopfen an der Thüre
Und laut erſchallte mein Herein!
Und eilvoll trat zu mir ins Zimmer
Mein Freund, der mir die Rechte bot;
Schon ſeines Auges feuchter Schimmer
Sprach, eh's ſein Mund ſprach: Er iſt todt!
Er ſtarb, noch eh die Morgenröthe,
Eh ſich die Nacht ins Auge ſahn;
Mit Uhland, Schiller und mit Goethe
Wallt nun auch Geibel ſeine Bahn.
Die Stirn vom Lorbeer ſanft umfächelt,
Mit ſeinem Herrn iſt er vereint;
Sein bleiches Antlitz liegt und lächelt,
Die ewge Liebe aber weint. —
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