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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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müßte die Welt, müßte das Leben kennen lernen.
Was war's anders, als Einbildung? Jetzt hab' ich
die Welt gesehen, Menschen und Leben gesehen, und
bin ich nun glücklicher? Da sitz' ich wieder, von wo
ich ausging, um nichts klüger ... ei ja, klüger doch.
Wohl, wohl, um Vieles klüger. Oder ist es nicht
schon ein Zeichen zunehmender Klugheit, daß in dem-
selben Augenblicke, wo ich "die Birken" betrat, eine
Stimme in meinem Herzen wach wurde, die mir mei-
ner seligen Großmutter Worte in's Gedächtniß rief:
"auf daß Du friedlich lebest und dereinst in Frie-
den sterbest. Alles Andere ist dummes Zeug."

Diese Worte, an denen ich zweifelte, deren Sinn
ich nicht zu begreifen vermochte, wenn die alte Frau
sie mir predigte, tönen mir heute, an dieser Stelle,
wie ein Evangelium der Huld, des Trostes. Jch
verstehe jetzt, was sie damit meinte. Und dies Ver-
ständniß hab' ich mir draußen erst errungen, folglich
bin ich klüger geworden, es ist keine Frage; folglich
wär ich nicht vergebens gewandert; folglich werd'
ich und muß ich jetzt aushalten in der beschränkten
niedrigen Zukunft, die vor mir liegt. Und darum
denn nicht lange getrödelt! Auf, Anton! dort hinein,
wo sich das Dorf wie in einen Zipfel nach dem Walde

muͤßte die Welt, muͤßte das Leben kennen lernen.
Was war’s anders, als Einbildung? Jetzt hab’ ich
die Welt geſehen, Menſchen und Leben geſehen, und
bin ich nun gluͤcklicher? Da ſitz’ ich wieder, von wo
ich ausging, um nichts kluͤger ... ei ja, kluͤger doch.
Wohl, wohl, um Vieles kluͤger. Oder iſt es nicht
ſchon ein Zeichen zunehmender Klugheit, daß in dem-
ſelben Augenblicke, wo ich „die Birken“ betrat, eine
Stimme in meinem Herzen wach wurde, die mir mei-
ner ſeligen Großmutter Worte in’s Gedaͤchtniß rief:
„auf daß Du friedlich lebeſt und dereinſt in Frie-
den ſterbeſt. Alles Andere iſt dummes Zeug.“

Dieſe Worte, an denen ich zweifelte, deren Sinn
ich nicht zu begreifen vermochte, wenn die alte Frau
ſie mir predigte, toͤnen mir heute, an dieſer Stelle,
wie ein Evangelium der Huld, des Troſtes. Jch
verſtehe jetzt, was ſie damit meinte. Und dies Ver-
ſtaͤndniß hab’ ich mir draußen erſt errungen, folglich
bin ich kluͤger geworden, es iſt keine Frage; folglich
waͤr ich nicht vergebens gewandert; folglich werd’
ich und muß ich jetzt aushalten in der beſchraͤnkten
niedrigen Zukunft, die vor mir liegt. Und darum
denn nicht lange getroͤdelt! Auf, Anton! dort hinein,
wo ſich das Dorf wie in einen Zipfel nach dem Walde

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[86/0090] muͤßte die Welt, muͤßte das Leben kennen lernen. Was war’s anders, als Einbildung? Jetzt hab’ ich die Welt geſehen, Menſchen und Leben geſehen, und bin ich nun gluͤcklicher? Da ſitz’ ich wieder, von wo ich ausging, um nichts kluͤger ... ei ja, kluͤger doch. Wohl, wohl, um Vieles kluͤger. Oder iſt es nicht ſchon ein Zeichen zunehmender Klugheit, daß in dem- ſelben Augenblicke, wo ich „die Birken“ betrat, eine Stimme in meinem Herzen wach wurde, die mir mei- ner ſeligen Großmutter Worte in’s Gedaͤchtniß rief: „auf daß Du friedlich lebeſt und dereinſt in Frie- den ſterbeſt. Alles Andere iſt dummes Zeug.“ Dieſe Worte, an denen ich zweifelte, deren Sinn ich nicht zu begreifen vermochte, wenn die alte Frau ſie mir predigte, toͤnen mir heute, an dieſer Stelle, wie ein Evangelium der Huld, des Troſtes. Jch verſtehe jetzt, was ſie damit meinte. Und dies Ver- ſtaͤndniß hab’ ich mir draußen erſt errungen, folglich bin ich kluͤger geworden, es iſt keine Frage; folglich waͤr ich nicht vergebens gewandert; folglich werd’ ich und muß ich jetzt aushalten in der beſchraͤnkten niedrigen Zukunft, die vor mir liegt. Und darum denn nicht lange getroͤdelt! Auf, Anton! dort hinein, wo ſich das Dorf wie in einen Zipfel nach dem Walde

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/90>, abgerufen am 27.11.2024.