Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

kannte Zwecke benützt wird, ohne jemals zu erfahren,
was mit ihr geschieht. Es giebt solche Romane, und
wenn ich vom Geschick ausersehen war, einen solchen
mit mir spielen zu lassen, bedau're ich nur, daß der
Beginn sich bis jetzt verspätet hat, wo ich auf dem
nächsten Wege nach Hause mich befinde. Romantik
wäre mir dienlich und lieb gewesen, da mir der Ver-
sucher vom Eichberg herab die Schätze des Landes
zeigte; von nun an muß ich mir die Romantik vom
Halse halten und die Romane. -- Aber was zerbrech'
ich mir den schwachen Kopf mit Muthmaßungen,
wenn ich die Lösung zur Hand habe. Schkramprl
hat sich wieder ein Späschen gemacht; sein Bote
war es ja, der den Arzt herbeirief. Ja, ja, Schkramprl
ist ein seltener Freund -- aber ein großer Narr!

Diese Wahrheit wiegte unsern ermatteten Freund
in Schlaf.

Doch schon mit dem frühen Morgen wurd' er
aufgeweckt durch seltsame Töne im benachbarten Zim-
mer, von denen er, noch schlaftrunken, anfänglich
kaum zu entscheiden vermochte, welchem Gebiete der
Thierkunde jenes Wesen angehören dürfte, dem sie
entstiegen. Es war dabei im Spiele das Geschnatter
des Staares, das Gekrächz des Raben, das Gebrüll

kannte Zwecke benuͤtzt wird, ohne jemals zu erfahren,
was mit ihr geſchieht. Es giebt ſolche Romane, und
wenn ich vom Geſchick auserſehen war, einen ſolchen
mit mir ſpielen zu laſſen, bedau’re ich nur, daß der
Beginn ſich bis jetzt verſpaͤtet hat, wo ich auf dem
naͤchſten Wege nach Hauſe mich befinde. Romantik
waͤre mir dienlich und lieb geweſen, da mir der Ver-
ſucher vom Eichberg herab die Schaͤtze des Landes
zeigte; von nun an muß ich mir die Romantik vom
Halſe halten und die Romane. — Aber was zerbrech’
ich mir den ſchwachen Kopf mit Muthmaßungen,
wenn ich die Loͤſung zur Hand habe. Schkramprl
hat ſich wieder ein Spaͤschen gemacht; ſein Bote
war es ja, der den Arzt herbeirief. Ja, ja, Schkramprl
iſt ein ſeltener Freund — aber ein großer Narr!

Dieſe Wahrheit wiegte unſern ermatteten Freund
in Schlaf.

Doch ſchon mit dem fruͤhen Morgen wurd’ er
aufgeweckt durch ſeltſame Toͤne im benachbarten Zim-
mer, von denen er, noch ſchlaftrunken, anfaͤnglich
kaum zu entſcheiden vermochte, welchem Gebiete der
Thierkunde jenes Weſen angehoͤren duͤrfte, dem ſie
entſtiegen. Es war dabei im Spiele das Geſchnatter
des Staares, das Gekraͤchz des Raben, das Gebruͤll

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="69"/>
kannte Zwecke benu&#x0364;tzt wird, ohne jemals zu erfahren,<lb/>
was mit ihr ge&#x017F;chieht. Es giebt &#x017F;olche Romane, und<lb/>
wenn ich vom Ge&#x017F;chick auser&#x017F;ehen war, einen &#x017F;olchen<lb/>
mit mir &#x017F;pielen zu la&#x017F;&#x017F;en, bedau&#x2019;re ich nur, daß der<lb/>
Beginn &#x017F;ich bis jetzt ver&#x017F;pa&#x0364;tet hat, wo ich auf dem<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;ten Wege nach Hau&#x017F;e mich befinde. Romantik<lb/>
wa&#x0364;re mir dienlich und lieb gewe&#x017F;en, da mir der Ver-<lb/>
&#x017F;ucher vom Eichberg herab die Scha&#x0364;tze des Landes<lb/>
zeigte; von nun an muß ich mir die Romantik vom<lb/>
Hal&#x017F;e halten und die Romane. &#x2014; Aber was zerbrech&#x2019;<lb/>
ich mir den &#x017F;chwachen Kopf mit Muthmaßungen,<lb/>
wenn ich die Lo&#x0364;&#x017F;ung zur Hand habe. Schkramprl<lb/>
hat &#x017F;ich wieder ein Spa&#x0364;schen gemacht; <hi rendition="#g">&#x017F;ein</hi> Bote<lb/>
war es ja, der den Arzt herbeirief. Ja, ja, Schkramprl<lb/>
i&#x017F;t ein &#x017F;eltener Freund &#x2014; aber ein großer Narr!</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Wahrheit wiegte un&#x017F;ern ermatteten Freund<lb/>
in Schlaf.</p><lb/>
        <p>Doch &#x017F;chon mit dem fru&#x0364;hen Morgen wurd&#x2019; er<lb/>
aufgeweckt durch &#x017F;elt&#x017F;ame To&#x0364;ne im benachbarten Zim-<lb/>
mer, von denen er, noch &#x017F;chlaftrunken, anfa&#x0364;nglich<lb/>
kaum zu ent&#x017F;cheiden vermochte, welchem Gebiete der<lb/>
Thierkunde jenes We&#x017F;en angeho&#x0364;ren du&#x0364;rfte, dem &#x017F;ie<lb/>
ent&#x017F;tiegen. Es war dabei im Spiele das Ge&#x017F;chnatter<lb/>
des Staares, das Gekra&#x0364;chz des Raben, das Gebru&#x0364;ll<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0073] kannte Zwecke benuͤtzt wird, ohne jemals zu erfahren, was mit ihr geſchieht. Es giebt ſolche Romane, und wenn ich vom Geſchick auserſehen war, einen ſolchen mit mir ſpielen zu laſſen, bedau’re ich nur, daß der Beginn ſich bis jetzt verſpaͤtet hat, wo ich auf dem naͤchſten Wege nach Hauſe mich befinde. Romantik waͤre mir dienlich und lieb geweſen, da mir der Ver- ſucher vom Eichberg herab die Schaͤtze des Landes zeigte; von nun an muß ich mir die Romantik vom Halſe halten und die Romane. — Aber was zerbrech’ ich mir den ſchwachen Kopf mit Muthmaßungen, wenn ich die Loͤſung zur Hand habe. Schkramprl hat ſich wieder ein Spaͤschen gemacht; ſein Bote war es ja, der den Arzt herbeirief. Ja, ja, Schkramprl iſt ein ſeltener Freund — aber ein großer Narr! Dieſe Wahrheit wiegte unſern ermatteten Freund in Schlaf. Doch ſchon mit dem fruͤhen Morgen wurd’ er aufgeweckt durch ſeltſame Toͤne im benachbarten Zim- mer, von denen er, noch ſchlaftrunken, anfaͤnglich kaum zu entſcheiden vermochte, welchem Gebiete der Thierkunde jenes Weſen angehoͤren duͤrfte, dem ſie entſtiegen. Es war dabei im Spiele das Geſchnatter des Staares, das Gekraͤchz des Raben, das Gebruͤll

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/73
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/73>, abgerufen am 27.11.2024.