ihm übrig? Thut er nicht am Besten, sich in stille Vergessenheit zu flüchten, dem Leben zu entweichen, und dem Lärm des Lebens? Scheint er nicht vom Schicksal dazu bestimmt, jeder Hoffnung entsagen zu müssen? Verfolgt ihn das Unglück nicht bei jedem Schritte, den er, vom Glücke gelockt und getäuscht, zu unternehmen wagte? Jmmer besser, daß er auf der kleinen Erdscholle, die er sein nennt, das lang- sam hinwelkende, leblose Leben einer verkümmernden Pflanze durchmache, als daß er auf's Neue in gefähr- liche Konflikte gebracht, ihnen unterliege und ein schmachvolles Ende nehme.
Ja, ich verstehe seine Sehnsucht nach Liebenau, nach seinem Häuschen, nach Einsamkeit! Jch begreife seinen Ueberdruß an Allem was Menschen heißt, und Welt, und Leben! Jch höre deutlich den Wiederhall eines Liedchens, welches er summte und sang, wäh- rend er, noch matt und schwach, sein Bündel schnürte und dessen letzte Zeile sich immer wiederholte: "Bin müde, bin müde, laßt schlafen mich geh'n!"
Schkramprl hatte ihm bereits Lebewohl gesagt, und er hatte nur flüchtigen Abschied genommen, unter dem Vorwande, daß unzählige Bestellungen und Einladungen ihn riefen, daß Milliarden von Ratten
ihm uͤbrig? Thut er nicht am Beſten, ſich in ſtille Vergeſſenheit zu fluͤchten, dem Leben zu entweichen, und dem Laͤrm des Lebens? Scheint er nicht vom Schickſal dazu beſtimmt, jeder Hoffnung entſagen zu muͤſſen? Verfolgt ihn das Ungluͤck nicht bei jedem Schritte, den er, vom Gluͤcke gelockt und getaͤuſcht, zu unternehmen wagte? Jmmer beſſer, daß er auf der kleinen Erdſcholle, die er ſein nennt, das lang- ſam hinwelkende, lebloſe Leben einer verkuͤmmernden Pflanze durchmache, als daß er auf’s Neue in gefaͤhr- liche Konflikte gebracht, ihnen unterliege und ein ſchmachvolles Ende nehme.
Ja, ich verſtehe ſeine Sehnſucht nach Liebenau, nach ſeinem Haͤuschen, nach Einſamkeit! Jch begreife ſeinen Ueberdruß an Allem was Menſchen heißt, und Welt, und Leben! Jch hoͤre deutlich den Wiederhall eines Liedchens, welches er ſummte und ſang, waͤh- rend er, noch matt und ſchwach, ſein Buͤndel ſchnuͤrte und deſſen letzte Zeile ſich immer wiederholte: „Bin müde, bin müde, laßt ſchlafen mich geh’n!“
Schkramprl hatte ihm bereits Lebewohl geſagt, und er hatte nur fluͤchtigen Abſchied genommen, unter dem Vorwande, daß unzaͤhlige Beſtellungen und Einladungen ihn riefen, daß Milliarden von Ratten
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ihm uͤbrig? Thut er nicht am Beſten, ſich in ſtille
Vergeſſenheit zu fluͤchten, dem Leben zu entweichen,
und dem Laͤrm des Lebens? Scheint er nicht vom
Schickſal dazu beſtimmt, jeder Hoffnung entſagen zu
muͤſſen? Verfolgt ihn das Ungluͤck nicht bei jedem
Schritte, den er, vom Gluͤcke gelockt und getaͤuſcht,
zu unternehmen wagte? Jmmer beſſer, daß er auf
der kleinen Erdſcholle, die er ſein nennt, das lang-
ſam hinwelkende, lebloſe Leben einer verkuͤmmernden
Pflanze durchmache, als daß er auf’s Neue in gefaͤhr-
liche Konflikte gebracht, ihnen unterliege und ein
ſchmachvolles Ende nehme.
Ja, ich verſtehe ſeine Sehnſucht nach Liebenau,
nach ſeinem Haͤuschen, nach Einſamkeit! Jch begreife
ſeinen Ueberdruß an Allem was Menſchen heißt, und
Welt, und Leben! Jch hoͤre deutlich den Wiederhall
eines Liedchens, welches er ſummte und ſang, waͤh-
rend er, noch matt und ſchwach, ſein Buͤndel ſchnuͤrte
und deſſen letzte Zeile ſich immer wiederholte:
„Bin müde, bin müde, laßt ſchlafen mich geh’n!“
Schkramprl hatte ihm bereits Lebewohl geſagt,
und er hatte nur fluͤchtigen Abſchied genommen, unter
dem Vorwande, daß unzaͤhlige Beſtellungen und
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/67>, abgerufen am 17.02.2025.
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