welches der scheidende Arzt alle zweckmäßigen Vor- kehrungen und Milderungsmittel angeordnet hatte; welches also Niemand erschreckte. Anton phanta- sirte heftig und mengte wunderliche Dinge durchein- ander, behielt aber dennoch, sogar im exaltirtesten Zustande, Willenskraft übrig, keine Silbe sich ent- schlüpfen zu lassen, die sein Verhältniß zu der gräfli- chen Familie auf Erlenstein andeuten konnte. Da- gegen ergingen sich seine lebhaften Träume, gleichsam lustwandelnd, in allen Richtungen des verflossenen Lebens, von Lust zu Gram, von Glück zu Leiden überspringend. Dadurch regte er, weil er die Namen von Personen und Orten im buntesten Wechsel durch- einander warf, den redelustigen Schkramprl auf, mit hineinzuschwatzen, seine eigenen Abentheuer mit den Phantasieen des Kranken zu vermischen, ihn an Toll- heit zu überbieten. Die Jägerburschen, nur durch eine dünne Wand von ihnen getrennt, wußten zuletzt nicht, wer größeren Unsinn schwatzte, ob der Kranke im Fieber, ob der Wärter, der dem Kranken Lüge über Lüge erzählte.
Gegen Morgen stellte sich Ruhe ein, mit ihr, durch sie der Schlaf. Und als die Gerichtspersonen, durch der Försters Rapport entboten, in den Hof ein-
welches der ſcheidende Arzt alle zweckmaͤßigen Vor- kehrungen und Milderungsmittel angeordnet hatte; welches alſo Niemand erſchreckte. Anton phanta- ſirte heftig und mengte wunderliche Dinge durchein- ander, behielt aber dennoch, ſogar im exaltirteſten Zuſtande, Willenskraft uͤbrig, keine Silbe ſich ent- ſchluͤpfen zu laſſen, die ſein Verhaͤltniß zu der graͤfli- chen Familie auf Erlenſtein andeuten konnte. Da- gegen ergingen ſich ſeine lebhaften Traͤume, gleichſam luſtwandelnd, in allen Richtungen des verfloſſenen Lebens, von Luſt zu Gram, von Gluͤck zu Leiden uͤberſpringend. Dadurch regte er, weil er die Namen von Perſonen und Orten im bunteſten Wechſel durch- einander warf, den redeluſtigen Schkramprl auf, mit hineinzuſchwatzen, ſeine eigenen Abentheuer mit den Phantaſieen des Kranken zu vermiſchen, ihn an Toll- heit zu uͤberbieten. Die Jaͤgerburſchen, nur durch eine duͤnne Wand von ihnen getrennt, wußten zuletzt nicht, wer groͤßeren Unſinn ſchwatzte, ob der Kranke im Fieber, ob der Waͤrter, der dem Kranken Luͤge uͤber Luͤge erzaͤhlte.
Gegen Morgen ſtellte ſich Ruhe ein, mit ihr, durch ſie der Schlaf. Und als die Gerichtsperſonen, durch der Foͤrſters Rapport entboten, in den Hof ein-
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welches der ſcheidende Arzt alle zweckmaͤßigen Vor-
kehrungen und Milderungsmittel angeordnet hatte;
welches alſo Niemand erſchreckte. Anton phanta-
ſirte heftig und mengte wunderliche Dinge durchein-
ander, behielt aber dennoch, ſogar im exaltirteſten
Zuſtande, Willenskraft uͤbrig, keine Silbe ſich ent-
ſchluͤpfen zu laſſen, die ſein Verhaͤltniß zu der graͤfli-
chen Familie auf Erlenſtein andeuten konnte. Da-
gegen ergingen ſich ſeine lebhaften Traͤume, gleichſam
luſtwandelnd, in allen Richtungen des verfloſſenen
Lebens, von Luſt zu Gram, von Gluͤck zu Leiden
uͤberſpringend. Dadurch regte er, weil er die Namen
von Perſonen und Orten im bunteſten Wechſel durch-
einander warf, den redeluſtigen Schkramprl auf, mit
hineinzuſchwatzen, ſeine eigenen Abentheuer mit den
Phantaſieen des Kranken zu vermiſchen, ihn an Toll-
heit zu uͤberbieten. Die Jaͤgerburſchen, nur durch
eine duͤnne Wand von ihnen getrennt, wußten zuletzt
nicht, wer groͤßeren Unſinn ſchwatzte, ob der Kranke
im Fieber, ob der Waͤrter, der dem Kranken Luͤge
uͤber Luͤge erzaͤhlte.
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/52>, abgerufen am 05.07.2024.
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