nen Vater lieben, ich kann meine Mutter selig prei- sen, weil sie's überstanden hat, folglich bin ich reicher als ich jemals war; -- und für das Uebrige wird der Vormund weiter sorgen, dem ich mich anvertraute, da ich Liebenau verließ. -- Aber Hedwig? Der Weg den ich jetzt wieder einschlagen muß, führt mich nicht zu ihr. Diesmal hat der Blick einer Sterbenden nicht den Schleier der Zukunft zu durchdringen ver- mocht; Deine Prophezeiung, Du arme Mutter, geht keineswegs in Erfüllung und Deines unstäten Sohnes Erbtheil bleibt der alte Fluch, welcher stärker wirkt, als Dein Segen, als meines Vaters guter Wille.
Mit ähnlichen Gedanken ging Anton munter durch die Waldungen, ohne recht zu wissen wohin. War es ihm doch gleichgültig. Lag ihm doch nur daran, so schnell wie möglich aus dem Gebiete der gräflichen Besitzungen sich zu entfernen. Er fragte einige Holz- leute, die ihm einzeln begegneten, wie weit er noch habe? Sie bezeichneten ihm die Grenze, die er binnen einer Viertelstunde erreichen werde, wenn er mäßig fortschreite. Je näher sie rückte, desto dringender wurde seine Besorgniß; eine Angst, die er sich gar nicht zu erklären wußte, schnürte ihm die Brust zu-
nen Vater lieben, ich kann meine Mutter ſelig prei- ſen, weil ſie’s uͤberſtanden hat, folglich bin ich reicher als ich jemals war; — und fuͤr das Uebrige wird der Vormund weiter ſorgen, dem ich mich anvertraute, da ich Liebenau verließ. — Aber Hedwig? Der Weg den ich jetzt wieder einſchlagen muß, fuͤhrt mich nicht zu ihr. Diesmal hat der Blick einer Sterbenden nicht den Schleier der Zukunft zu durchdringen ver- mocht; Deine Prophezeiung, Du arme Mutter, geht keineswegs in Erfuͤllung und Deines unſtaͤten Sohnes Erbtheil bleibt der alte Fluch, welcher ſtaͤrker wirkt, als Dein Segen, als meines Vaters guter Wille.
Mit aͤhnlichen Gedanken ging Anton munter durch die Waldungen, ohne recht zu wiſſen wohin. War es ihm doch gleichguͤltig. Lag ihm doch nur daran, ſo ſchnell wie moͤglich aus dem Gebiete der graͤflichen Beſitzungen ſich zu entfernen. Er fragte einige Holz- leute, die ihm einzeln begegneten, wie weit er noch habe? Sie bezeichneten ihm die Grenze, die er binnen einer Viertelſtunde erreichen werde, wenn er maͤßig fortſchreite. Je naͤher ſie ruͤckte, deſto dringender wurde ſeine Beſorgniß; eine Angſt, die er ſich gar nicht zu erklaͤren wußte, ſchnuͤrte ihm die Bruſt zu-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0043"n="39"/>
nen Vater lieben, ich kann meine Mutter ſelig prei-<lb/>ſen, weil ſie’s uͤberſtanden hat, folglich bin ich reicher<lb/>
als ich jemals war; — und fuͤr das Uebrige wird der<lb/>
Vormund weiter ſorgen, dem ich mich anvertraute,<lb/>
da ich Liebenau verließ. — Aber Hedwig? Der Weg<lb/>
den ich <hirendition="#g">jetzt</hi> wieder einſchlagen muß, fuͤhrt mich nicht<lb/>
zu ihr. Diesmal hat der Blick einer Sterbenden<lb/>
nicht den Schleier der Zukunft zu durchdringen ver-<lb/>
mocht; Deine Prophezeiung, Du arme Mutter,<lb/>
geht keineswegs in Erfuͤllung und Deines unſtaͤten<lb/>
Sohnes Erbtheil bleibt der alte Fluch, welcher<lb/>ſtaͤrker wirkt, als Dein Segen, als meines Vaters<lb/>
guter Wille.</p><lb/><p>Mit aͤhnlichen Gedanken ging Anton munter durch<lb/>
die Waldungen, ohne recht zu wiſſen wohin. War<lb/>
es ihm doch gleichguͤltig. Lag ihm doch nur daran,<lb/>ſo ſchnell wie moͤglich aus dem Gebiete der graͤflichen<lb/>
Beſitzungen ſich zu entfernen. Er fragte einige Holz-<lb/>
leute, die ihm einzeln begegneten, wie weit er noch<lb/>
habe? Sie bezeichneten ihm die Grenze, die er binnen<lb/>
einer Viertelſtunde erreichen werde, wenn er maͤßig<lb/>
fortſchreite. Je naͤher ſie ruͤckte, deſto dringender<lb/>
wurde ſeine Beſorgniß; eine Angſt, die er ſich gar<lb/>
nicht zu erklaͤren wußte, ſchnuͤrte ihm die Bruſt zu-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[39/0043]
nen Vater lieben, ich kann meine Mutter ſelig prei-
ſen, weil ſie’s uͤberſtanden hat, folglich bin ich reicher
als ich jemals war; — und fuͤr das Uebrige wird der
Vormund weiter ſorgen, dem ich mich anvertraute,
da ich Liebenau verließ. — Aber Hedwig? Der Weg
den ich jetzt wieder einſchlagen muß, fuͤhrt mich nicht
zu ihr. Diesmal hat der Blick einer Sterbenden
nicht den Schleier der Zukunft zu durchdringen ver-
mocht; Deine Prophezeiung, Du arme Mutter,
geht keineswegs in Erfuͤllung und Deines unſtaͤten
Sohnes Erbtheil bleibt der alte Fluch, welcher
ſtaͤrker wirkt, als Dein Segen, als meines Vaters
guter Wille.
Mit aͤhnlichen Gedanken ging Anton munter durch
die Waldungen, ohne recht zu wiſſen wohin. War
es ihm doch gleichguͤltig. Lag ihm doch nur daran,
ſo ſchnell wie moͤglich aus dem Gebiete der graͤflichen
Beſitzungen ſich zu entfernen. Er fragte einige Holz-
leute, die ihm einzeln begegneten, wie weit er noch
habe? Sie bezeichneten ihm die Grenze, die er binnen
einer Viertelſtunde erreichen werde, wenn er maͤßig
fortſchreite. Je naͤher ſie ruͤckte, deſto dringender
wurde ſeine Beſorgniß; eine Angſt, die er ſich gar
nicht zu erklaͤren wußte, ſchnuͤrte ihm die Bruſt zu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/43>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.