eine Zumuthung dieser Art machen mögen! Noch weniger aber kann ich begreifen, wie Sie einem Bur- schen seiner Art hier Eintritt gestatten? Ein Her- umtreiber und Gaukler, ein Knecht und Menagerie- Wärter; ein Vagabund, der schlechter Streiche hal- ber vor der Polizei aus einer Stadt in die and're flie- hen muß, der sich in vornehme Häuser stiehlt, als Musikant, als Tanzmeister, und dann entweicht, wenn er sich erkannt sieht?! Schicken Sie ihn fort, mein Vater, sonst lass' ich ihn binden und unsere Amtsdiener bringen ihn nach der Kreisstadt."
Graf Guido warf seine Augen von Louis auf Anton, von Anton auf Louis, als wenn er beide fra- gen wollte, ob und woher sie sich kennten. Louis schäumte vor Wuth. Anton fand Kraft sich zu beherrschen, zu schweigen; doch war er noch nicht so weit Herr über sich, ruhig zu sagen, was sagen zu wollen, er sich bereits entschlossen fühlte.
Der Vater hatte unterdessen Antoinettens Brief zusammengefaltet und denselben, um ihn den Blicken seines "rechtmäßigen" Sohnes und Erben zu ent- ziehen, unter anderen Papieren verborgen.
Noch einmal hub Louis an: wird der Landstrei- cher nun bald seiner Wege gehen?
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eine Zumuthung dieſer Art machen moͤgen! Noch weniger aber kann ich begreifen, wie Sie einem Bur- ſchen ſeiner Art hier Eintritt geſtatten? Ein Her- umtreiber und Gaukler, ein Knecht und Menagerie- Waͤrter; ein Vagabund, der ſchlechter Streiche hal- ber vor der Polizei aus einer Stadt in die and’re flie- hen muß, der ſich in vornehme Haͤuſer ſtiehlt, als Muſikant, als Tanzmeiſter, und dann entweicht, wenn er ſich erkannt ſieht?! Schicken Sie ihn fort, mein Vater, ſonſt laſſ’ ich ihn binden und unſere Amtsdiener bringen ihn nach der Kreisſtadt.“
Graf Guido warf ſeine Augen von Louis auf Anton, von Anton auf Louis, als wenn er beide fra- gen wollte, ob und woher ſie ſich kennten. Louis ſchaͤumte vor Wuth. Anton fand Kraft ſich zu beherrſchen, zu ſchweigen; doch war er noch nicht ſo weit Herr uͤber ſich, ruhig zu ſagen, was ſagen zu wollen, er ſich bereits entſchloſſen fuͤhlte.
Der Vater hatte unterdeſſen Antoinettens Brief zuſammengefaltet und denſelben, um ihn den Blicken ſeines „rechtmaͤßigen“ Sohnes und Erben zu ent- ziehen, unter anderen Papieren verborgen.
Noch einmal hub Louis an: wird der Landſtrei- cher nun bald ſeiner Wege gehen?
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eine Zumuthung dieſer Art machen moͤgen! Noch
weniger aber kann ich begreifen, wie Sie einem Bur-
ſchen ſeiner Art hier Eintritt geſtatten? Ein Her-
umtreiber und Gaukler, ein Knecht und Menagerie-
Waͤrter; ein Vagabund, der ſchlechter Streiche hal-
ber vor der Polizei aus einer Stadt in die and’re flie-
hen muß, der ſich in vornehme Haͤuſer ſtiehlt, als
Muſikant, als Tanzmeiſter, und dann entweicht,
wenn er ſich erkannt ſieht?! Schicken Sie ihn fort,
mein Vater, ſonſt laſſ’ ich ihn binden und unſere
Amtsdiener bringen ihn nach der Kreisſtadt.“
Graf Guido warf ſeine Augen von Louis auf
Anton, von Anton auf Louis, als wenn er beide fra-
gen wollte, ob und woher ſie ſich kennten. Louis
ſchaͤumte vor Wuth. Anton fand Kraft ſich zu
beherrſchen, zu ſchweigen; doch war er noch nicht
ſo weit Herr uͤber ſich, ruhig zu ſagen, was ſagen
zu wollen, er ſich bereits entſchloſſen fuͤhlte.
Der Vater hatte unterdeſſen Antoinettens Brief
zuſammengefaltet und denſelben, um ihn den Blicken
ſeines „rechtmaͤßigen“ Sohnes und Erben zu ent-
ziehen, unter anderen Papieren verborgen.
Noch einmal hub Louis an: wird der Landſtrei-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/39>, abgerufen am 16.07.2024.
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