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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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es mir nie mehr, aber auch im Traume nicht einge-
fallen, davon Gebrauch zu machen. Jch habe Lie-
benau nicht verlassen ohne Hedwig. Jch könnte es
nicht. Und wenn (wie in den kürzlich vergangenen
Wochen) unsere Verhältnisse erheischen, daß Eines
von uns Beiden reisen, das Andere aber zu Hause
hüten muß, so schick' ich sie fort, damit ich wenig-
stens, wenn ich denn einmal ihren Umgang und ihr
Gespräch entbehren soll, in den Räumen weilen
dürfe, die sie bewohnt.

Gräfin Julia sagt immer, es müßte auf einer
großen Universität ein eigner Lehrstuhl für angehende
Eheweiber und Hausfrauen errichtet werden und die
erste Professur müßte Hedwig haben, die dann wei-
ter nichts vorzutragen hätte, als durch welche ein-
fachen, natürlichen und doch so geistvollen Mittel, sie
einen rastlosen Vagabunden zum glücklichsten Phili-
ster umgeschaffen, der seine unumschränkte Freiheit
blos dazu benützt, den Pantoffel zu küssen. Die
Gräfin behauptet, aus Hedwig's Schule und durch
deren Schülerinnen würde eine neue Zeit für den Ehe-
stand hervorgehen. Was mich betrifft, will ich schon
zufrieden sein, wenn Hedwig's guter Geist auf unsere
Tochter Ottilie forterbt und ich hab' meiner Frau ein-

es mir nie mehr, aber auch im Traume nicht einge-
fallen, davon Gebrauch zu machen. Jch habe Lie-
benau nicht verlaſſen ohne Hedwig. Jch koͤnnte es
nicht. Und wenn (wie in den kuͤrzlich vergangenen
Wochen) unſere Verhaͤltniſſe erheiſchen, daß Eines
von uns Beiden reiſen, das Andere aber zu Hauſe
huͤten muß, ſo ſchick’ ich ſie fort, damit ich wenig-
ſtens, wenn ich denn einmal ihren Umgang und ihr
Geſpraͤch entbehren ſoll, in den Raͤumen weilen
duͤrfe, die ſie bewohnt.

Graͤfin Julia ſagt immer, es muͤßte auf einer
großen Univerſitaͤt ein eigner Lehrſtuhl fuͤr angehende
Eheweiber und Hausfrauen errichtet werden und die
erſte Profeſſur muͤßte Hedwig haben, die dann wei-
ter nichts vorzutragen haͤtte, als durch welche ein-
fachen, natuͤrlichen und doch ſo geiſtvollen Mittel, ſie
einen raſtloſen Vagabunden zum gluͤcklichſten Phili-
ſter umgeſchaffen, der ſeine unumſchraͤnkte Freiheit
blos dazu benuͤtzt, den Pantoffel zu kuͤſſen. Die
Graͤfin behauptet, aus Hedwig’s Schule und durch
deren Schuͤlerinnen wuͤrde eine neue Zeit fuͤr den Ehe-
ſtand hervorgehen. Was mich betrifft, will ich ſchon
zufrieden ſein, wenn Hedwig’s guter Geiſt auf unſere
Tochter Ottilie forterbt und ich hab’ meiner Frau ein-

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[220/0224] es mir nie mehr, aber auch im Traume nicht einge- fallen, davon Gebrauch zu machen. Jch habe Lie- benau nicht verlaſſen ohne Hedwig. Jch koͤnnte es nicht. Und wenn (wie in den kuͤrzlich vergangenen Wochen) unſere Verhaͤltniſſe erheiſchen, daß Eines von uns Beiden reiſen, das Andere aber zu Hauſe huͤten muß, ſo ſchick’ ich ſie fort, damit ich wenig- ſtens, wenn ich denn einmal ihren Umgang und ihr Geſpraͤch entbehren ſoll, in den Raͤumen weilen duͤrfe, die ſie bewohnt. Graͤfin Julia ſagt immer, es muͤßte auf einer großen Univerſitaͤt ein eigner Lehrſtuhl fuͤr angehende Eheweiber und Hausfrauen errichtet werden und die erſte Profeſſur muͤßte Hedwig haben, die dann wei- ter nichts vorzutragen haͤtte, als durch welche ein- fachen, natuͤrlichen und doch ſo geiſtvollen Mittel, ſie einen raſtloſen Vagabunden zum gluͤcklichſten Phili- ſter umgeſchaffen, der ſeine unumſchraͤnkte Freiheit blos dazu benuͤtzt, den Pantoffel zu kuͤſſen. Die Graͤfin behauptet, aus Hedwig’s Schule und durch deren Schuͤlerinnen wuͤrde eine neue Zeit fuͤr den Ehe- ſtand hervorgehen. Was mich betrifft, will ich ſchon zufrieden ſein, wenn Hedwig’s guter Geiſt auf unſere Tochter Ottilie forterbt und ich hab’ meiner Frau ein-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/224>, abgerufen am 29.11.2024.