dann wäre mir wohl nichts übrig geblieben, als mei- nem Vater zu folgen. Doch Dein ganzes Beneh- men überzeugte mich bald, daß Du mich liebst, ach- test, daß ich (der Himmel sei gepriesen!) Dir nicht zur Last bin; nein, daß es Dir nur der Ehestand im Allgemeinen ist; daß der Gedanke Dich peiniget, gebunden, festgehalten, an Haus und Hof und Weib gekettet zu sein, während Du doch gewöhnt warest, umherzuziehen, wie Wind und Wetter Dich trieben, Du mein lieber, geliebter Zigeuner. Mir ist nicht entgangen, mein armer Anton, welche Mühe Du Dir gabst, Dich zu beherrschen, mich zu täuschen. Aber das Auge der Liebe lässet sich nicht täuschen. Jch empfand Deine Leiden, wie Du; ich machte Deine Kämpfe in meinem Herzen mit. Dennoch untersagt' ich mir den Trost, darüber mit Dir zu sprechen. Jch dachte so: Entweder auch dieses Kind, welches ich jetzt am Herzen trage, ist dem Tode geweiht, nun, dann bin ich es auch; dann ist er ohnedies wieder frei!! Oder das Kind lebt und ich lebe mit ihm -- (denn ich wußte, Gott würde mich nicht von diesem Kinde trennen!) nun, dann ist immer noch Zeit, mein Herz ihm zu öffnen; dann wird sich der passende Moment schon finden. Dieser Moment ist eingetreten.
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dann waͤre mir wohl nichts uͤbrig geblieben, als mei- nem Vater zu folgen. Doch Dein ganzes Beneh- men uͤberzeugte mich bald, daß Du mich liebſt, ach- teſt, daß ich (der Himmel ſei geprieſen!) Dir nicht zur Laſt bin; nein, daß es Dir nur der Eheſtand im Allgemeinen iſt; daß der Gedanke Dich peiniget, gebunden, feſtgehalten, an Haus und Hof und Weib gekettet zu ſein, waͤhrend Du doch gewoͤhnt wareſt, umherzuziehen, wie Wind und Wetter Dich trieben, Du mein lieber, geliebter Zigeuner. Mir iſt nicht entgangen, mein armer Anton, welche Muͤhe Du Dir gabſt, Dich zu beherrſchen, mich zu taͤuſchen. Aber das Auge der Liebe laͤſſet ſich nicht taͤuſchen. Jch empfand Deine Leiden, wie Du; ich machte Deine Kaͤmpfe in meinem Herzen mit. Dennoch unterſagt’ ich mir den Troſt, daruͤber mit Dir zu ſprechen. Jch dachte ſo: Entweder auch dieſes Kind, welches ich jetzt am Herzen trage, iſt dem Tode geweiht, nun, dann bin ich es auch; dann iſt er ohnedies wieder frei!! Oder das Kind lebt und ich lebe mit ihm — (denn ich wußte, Gott wuͤrde mich nicht von dieſem Kinde trennen!) nun, dann iſt immer noch Zeit, mein Herz ihm zu oͤffnen; dann wird ſich der paſſende Moment ſchon finden. Dieſer Moment iſt eingetreten.
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dann waͤre mir wohl nichts uͤbrig geblieben, als mei-
nem Vater zu folgen. Doch Dein ganzes Beneh-
men uͤberzeugte mich bald, daß Du mich liebſt, ach-
teſt, daß ich (der Himmel ſei geprieſen!) Dir nicht
zur Laſt bin; nein, daß es Dir nur der Eheſtand im
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gekettet zu ſein, waͤhrend Du doch gewoͤhnt wareſt,
umherzuziehen, wie Wind und Wetter Dich trieben,
Du mein lieber, geliebter Zigeuner. Mir iſt nicht
entgangen, mein armer Anton, welche Muͤhe Du Dir
gabſt, Dich zu beherrſchen, mich zu taͤuſchen. Aber
das Auge der Liebe laͤſſet ſich nicht taͤuſchen. Jch
empfand Deine Leiden, wie Du; ich machte Deine
Kaͤmpfe in meinem Herzen mit. Dennoch unterſagt’
ich mir den Troſt, daruͤber mit Dir zu ſprechen. Jch
dachte ſo: Entweder auch dieſes Kind, welches ich
jetzt am Herzen trage, iſt dem Tode geweiht, nun,
dann bin ich es auch; dann iſt er ohnedies wieder
frei!! Oder das Kind lebt und ich lebe mit ihm —
(denn ich wußte, Gott wuͤrde mich nicht von dieſem
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Herz ihm zu oͤffnen; dann wird ſich der paſſende
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/199>, abgerufen am 27.07.2024.
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