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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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verheimlicht, welche die unschuldige Ursache derselben
ist. Wer vor seiner Frau ein Geheimniß hegt (ich
rede begreiflicher Weise nur von solchen Geheimnissen,
die auf das eheliche Verhältniß Bezug haben), der
erzieht eine Schlange an seiner Brust, welche ihm
über kurz oder lang das Herz anfressen kann.

Anton beging diesen Wahnsinn. Er verbarg vor
Hedwig jene Unruhe, die ein gespenstiges Phantom,
Freiheit genannt, ihm erregte; er zwang sich, heiter
und unbefangen zu erscheinen; er erkünstelte fröh-
lichste Laune; er verdoppelte seine zärtlichsten Auf-
merksamkeiten für sie: "damit sie nur nichts merke!"
Der Thor!! Es wäre besser gewesen, ihr Alles zu
sagen, die volle, reine Wahrheit. Die Wahrheit ist
immer das beste, auch wenn sie das schlimmste ist.
Hätt' er sich die Skrupel von der Seele geredet, ein
ganzes verdorbenes Jahr hätt' er sich ersparen
können.

Doch er schwieg, log, litt. Und es währte nicht
lange, so empfand Hedwig, daß er sie täusche. Doch
schwieg auch sie. Und auch sie litt.

So gingen sie lächelnd, liebend und leidend neben
einander her.

Ottilie aber schüttelte den Kopf und sagte: mit

verheimlicht, welche die unſchuldige Urſache derſelben
iſt. Wer vor ſeiner Frau ein Geheimniß hegt (ich
rede begreiflicher Weiſe nur von ſolchen Geheimniſſen,
die auf das eheliche Verhaͤltniß Bezug haben), der
erzieht eine Schlange an ſeiner Bruſt, welche ihm
uͤber kurz oder lang das Herz anfreſſen kann.

Anton beging dieſen Wahnſinn. Er verbarg vor
Hedwig jene Unruhe, die ein geſpenſtiges Phantom,
Freiheit genannt, ihm erregte; er zwang ſich, heiter
und unbefangen zu erſcheinen; er erkuͤnſtelte froͤh-
lichſte Laune; er verdoppelte ſeine zaͤrtlichſten Auf-
merkſamkeiten fuͤr ſie: „damit ſie nur nichts merke!“
Der Thor!! Es waͤre beſſer geweſen, ihr Alles zu
ſagen, die volle, reine Wahrheit. Die Wahrheit iſt
immer das beſte, auch wenn ſie das ſchlimmſte iſt.
Haͤtt’ er ſich die Skrupel von der Seele geredet, ein
ganzes verdorbenes Jahr haͤtt’ er ſich erſparen
koͤnnen.

Doch er ſchwieg, log, litt. Und es waͤhrte nicht
lange, ſo empfand Hedwig, daß er ſie taͤuſche. Doch
ſchwieg auch ſie. Und auch ſie litt.

So gingen ſie laͤchelnd, liebend und leidend neben
einander her.

Ottilie aber ſchuͤttelte den Kopf und ſagte: mit

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[166/0170] verheimlicht, welche die unſchuldige Urſache derſelben iſt. Wer vor ſeiner Frau ein Geheimniß hegt (ich rede begreiflicher Weiſe nur von ſolchen Geheimniſſen, die auf das eheliche Verhaͤltniß Bezug haben), der erzieht eine Schlange an ſeiner Bruſt, welche ihm uͤber kurz oder lang das Herz anfreſſen kann. Anton beging dieſen Wahnſinn. Er verbarg vor Hedwig jene Unruhe, die ein geſpenſtiges Phantom, Freiheit genannt, ihm erregte; er zwang ſich, heiter und unbefangen zu erſcheinen; er erkuͤnſtelte froͤh- lichſte Laune; er verdoppelte ſeine zaͤrtlichſten Auf- merkſamkeiten fuͤr ſie: „damit ſie nur nichts merke!“ Der Thor!! Es waͤre beſſer geweſen, ihr Alles zu ſagen, die volle, reine Wahrheit. Die Wahrheit iſt immer das beſte, auch wenn ſie das ſchlimmſte iſt. Haͤtt’ er ſich die Skrupel von der Seele geredet, ein ganzes verdorbenes Jahr haͤtt’ er ſich erſparen koͤnnen. Doch er ſchwieg, log, litt. Und es waͤhrte nicht lange, ſo empfand Hedwig, daß er ſie taͤuſche. Doch ſchwieg auch ſie. Und auch ſie litt. So gingen ſie laͤchelnd, liebend und leidend neben einander her. Ottilie aber ſchuͤttelte den Kopf und ſagte: mit

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/170>, abgerufen am 24.11.2024.