Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

gesprochen, gestaltete sich, auf eigenthümliche Weise,
zu einem Fluche um, der sich gegen Anton's Glück
und Zufriedenheit richtete.

Anton hatte schon bei'm Erwachen des Frühjahrs
die Ahnung einer ihm unklaren Bangigkeit gehabt;
einer Unruhe, die ihm fortwährend hinaustrieb, auch
ohne bestimmten Zweck, sein Gebiet nach allen Rich-
tungen zu durchstreifen. Zu Wagen, zu Pferde, wie
zu Fuße! Es fehlte ihm etwas; er konnte nicht aus-
finden, was es sein möge. Der plötzliche Tod sei-
nes Schwiegervaters, die Krankheit Hedwig's, der
Schmerz über den Verlust eines schon vor der Geburt
gestorbenen Kindes, -- dies Alles hatte seinen Gedan-
ken eine andere Richtung gegeben.

Hedwig's weibliche Klage und Bitte am Grabe
des Rittmeisters brachte ihn wieder auf die gefährliche
Grübelei, in die er vor einem Monat versenkt
gewesen.

Was kann mir denn fehlen, fragte er sich, mir,
den das Glück mit Gaben überhäuft? Daß mein
Schwiegervater sterben, bald sterben würde, wußt'
ich, als ich Hedwig heimführte; Gott hat ihm das
letzte Lebensjahr nur noch geschenkt, damit er sich
freuen dürfe, seine Tochter versorgt zu sehen. Nicht

11*

geſprochen, geſtaltete ſich, auf eigenthuͤmliche Weiſe,
zu einem Fluche um, der ſich gegen Anton’s Gluͤck
und Zufriedenheit richtete.

Anton hatte ſchon bei’m Erwachen des Fruͤhjahrs
die Ahnung einer ihm unklaren Bangigkeit gehabt;
einer Unruhe, die ihm fortwaͤhrend hinaustrieb, auch
ohne beſtimmten Zweck, ſein Gebiet nach allen Rich-
tungen zu durchſtreifen. Zu Wagen, zu Pferde, wie
zu Fuße! Es fehlte ihm etwas; er konnte nicht aus-
finden, was es ſein moͤge. Der ploͤtzliche Tod ſei-
nes Schwiegervaters, die Krankheit Hedwig’s, der
Schmerz uͤber den Verluſt eines ſchon vor der Geburt
geſtorbenen Kindes, — dies Alles hatte ſeinen Gedan-
ken eine andere Richtung gegeben.

Hedwig’s weibliche Klage und Bitte am Grabe
des Rittmeiſters brachte ihn wieder auf die gefaͤhrliche
Gruͤbelei, in die er vor einem Monat verſenkt
geweſen.

Was kann mir denn fehlen, fragte er ſich, mir,
den das Gluͤck mit Gaben uͤberhaͤuft? Daß mein
Schwiegervater ſterben, bald ſterben wuͤrde, wußt’
ich, als ich Hedwig heimfuͤhrte; Gott hat ihm das
letzte Lebensjahr nur noch geſchenkt, damit er ſich
freuen duͤrfe, ſeine Tochter verſorgt zu ſehen. Nicht

11*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="163"/>
ge&#x017F;prochen, ge&#x017F;taltete &#x017F;ich, auf eigenthu&#x0364;mliche Wei&#x017F;e,<lb/>
zu einem Fluche um, der &#x017F;ich gegen Anton&#x2019;s Glu&#x0364;ck<lb/>
und Zufriedenheit richtete.</p><lb/>
        <p>Anton hatte &#x017F;chon bei&#x2019;m Erwachen des Fru&#x0364;hjahrs<lb/>
die Ahnung einer ihm unklaren Bangigkeit gehabt;<lb/>
einer Unruhe, die ihm fortwa&#x0364;hrend hinaustrieb, auch<lb/>
ohne be&#x017F;timmten Zweck, &#x017F;ein Gebiet nach allen Rich-<lb/>
tungen zu durch&#x017F;treifen. Zu Wagen, zu Pferde, wie<lb/>
zu Fuße! Es fehlte ihm etwas; er konnte nicht aus-<lb/>
finden, was es &#x017F;ein mo&#x0364;ge. Der plo&#x0364;tzliche Tod &#x017F;ei-<lb/>
nes Schwiegervaters, die Krankheit Hedwig&#x2019;s, der<lb/>
Schmerz u&#x0364;ber den Verlu&#x017F;t eines &#x017F;chon vor der Geburt<lb/>
ge&#x017F;torbenen Kindes, &#x2014; dies Alles hatte &#x017F;einen Gedan-<lb/>
ken eine andere Richtung gegeben.</p><lb/>
        <p>Hedwig&#x2019;s weibliche Klage und Bitte am Grabe<lb/>
des Rittmei&#x017F;ters brachte ihn wieder auf die gefa&#x0364;hrliche<lb/>
Gru&#x0364;belei, in die er vor einem Monat ver&#x017F;enkt<lb/>
gewe&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Was <hi rendition="#g">kann</hi> mir denn fehlen, fragte er &#x017F;ich, mir,<lb/>
den das Glu&#x0364;ck mit Gaben u&#x0364;berha&#x0364;uft? Daß mein<lb/>
Schwiegervater &#x017F;terben, bald &#x017F;terben wu&#x0364;rde, wußt&#x2019;<lb/>
ich, als ich Hedwig heimfu&#x0364;hrte; Gott hat ihm das<lb/>
letzte Lebensjahr nur noch ge&#x017F;chenkt, damit er &#x017F;ich<lb/>
freuen du&#x0364;rfe, &#x017F;eine Tochter ver&#x017F;orgt zu &#x017F;ehen. Nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0167] geſprochen, geſtaltete ſich, auf eigenthuͤmliche Weiſe, zu einem Fluche um, der ſich gegen Anton’s Gluͤck und Zufriedenheit richtete. Anton hatte ſchon bei’m Erwachen des Fruͤhjahrs die Ahnung einer ihm unklaren Bangigkeit gehabt; einer Unruhe, die ihm fortwaͤhrend hinaustrieb, auch ohne beſtimmten Zweck, ſein Gebiet nach allen Rich- tungen zu durchſtreifen. Zu Wagen, zu Pferde, wie zu Fuße! Es fehlte ihm etwas; er konnte nicht aus- finden, was es ſein moͤge. Der ploͤtzliche Tod ſei- nes Schwiegervaters, die Krankheit Hedwig’s, der Schmerz uͤber den Verluſt eines ſchon vor der Geburt geſtorbenen Kindes, — dies Alles hatte ſeinen Gedan- ken eine andere Richtung gegeben. Hedwig’s weibliche Klage und Bitte am Grabe des Rittmeiſters brachte ihn wieder auf die gefaͤhrliche Gruͤbelei, in die er vor einem Monat verſenkt geweſen. Was kann mir denn fehlen, fragte er ſich, mir, den das Gluͤck mit Gaben uͤberhaͤuft? Daß mein Schwiegervater ſterben, bald ſterben wuͤrde, wußt’ ich, als ich Hedwig heimfuͤhrte; Gott hat ihm das letzte Lebensjahr nur noch geſchenkt, damit er ſich freuen duͤrfe, ſeine Tochter verſorgt zu ſehen. Nicht 11*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/167
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/167>, abgerufen am 22.11.2024.