wir können's ihr dreist gestehen, daß ihr Herr Gemahl mein Liebhaber, daß ich sein Bräutchen war, als er noch keine Strümpfe trug und Stiefeln für Luxus hielt. Ja, er wird kommen, sie wird kommen, mein kleines Nonnenkloster mit ihren fröhlichen Gesichtern zu schmücken; und ihre Kinder werden sie mir brin- gen; die werden mich Tante Tieletunke nennen, wer- den alle Blumen im Gärtchen abreißen, alle Früchte von Strauch und Zweig schütteln, werden das ganze Haus umkehren, und ich werde sie niemals auszan- ken, denn es sind Anton's Kinder. Und wenn ein Mädchen darunter ist, heißt es Ottilie, denn ich hab' es über die Taufe gehalten, hab' es mit meinen Thränen noch einmal getauft, -- doch es sind Freu- denthränen. Und Jhr alle werdet mich lieb haben und ich Euch! Nicht wahr, Freund Anton? Es wäre Alles vorhanden, was wir brauchen zum häuslichen Glücke ... wo ist die junge Frau?"
Anton schlug die Augen nieder.
"Er liebt!" rief Ottilie aus, indem sie freudig ihre Hände zusammenschlug; "er liebt! ich seh' es an die- sem verschämten Schweigen. Er liebt eine And're und er kam, seine Hand mir anzubieten! Da ist die Luft nicht rein; da hängen graue Wolken! Geschwind,
wir koͤnnen’s ihr dreiſt geſtehen, daß ihr Herr Gemahl mein Liebhaber, daß ich ſein Braͤutchen war, als er noch keine Struͤmpfe trug und Stiefeln fuͤr Luxus hielt. Ja, er wird kommen, ſie wird kommen, mein kleines Nonnenkloſter mit ihren froͤhlichen Geſichtern zu ſchmuͤcken; und ihre Kinder werden ſie mir brin- gen; die werden mich Tante Tieletunke nennen, wer- den alle Blumen im Gaͤrtchen abreißen, alle Fruͤchte von Strauch und Zweig ſchuͤtteln, werden das ganze Haus umkehren, und ich werde ſie niemals auszan- ken, denn es ſind Anton’s Kinder. Und wenn ein Maͤdchen darunter iſt, heißt es Ottilie, denn ich hab’ es uͤber die Taufe gehalten, hab’ es mit meinen Thraͤnen noch einmal getauft, — doch es ſind Freu- denthraͤnen. Und Jhr alle werdet mich lieb haben und ich Euch! Nicht wahr, Freund Anton? Es waͤre Alles vorhanden, was wir brauchen zum haͤuslichen Gluͤcke ... wo iſt die junge Frau?“
Anton ſchlug die Augen nieder.
„Er liebt!“ rief Ottilie aus, indem ſie freudig ihre Haͤnde zuſammenſchlug; „er liebt! ich ſeh’ es an die- ſem verſchaͤmten Schweigen. Er liebt eine And’re und er kam, ſeine Hand mir anzubieten! Da iſt die Luft nicht rein; da haͤngen graue Wolken! Geſchwind,
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wir koͤnnen’s ihr dreiſt geſtehen, daß ihr Herr Gemahl
mein Liebhaber, daß ich ſein Braͤutchen war, als er
noch keine Struͤmpfe trug und Stiefeln fuͤr Luxus
hielt. Ja, er wird kommen, ſie wird kommen, mein
kleines Nonnenkloſter mit ihren froͤhlichen Geſichtern
zu ſchmuͤcken; und ihre Kinder werden ſie mir brin-
gen; die werden mich Tante Tieletunke nennen, wer-
den alle Blumen im Gaͤrtchen abreißen, alle Fruͤchte
von Strauch und Zweig ſchuͤtteln, werden das ganze
Haus umkehren, und ich werde ſie niemals auszan-
ken, denn es ſind Anton’s Kinder. Und wenn ein
Maͤdchen darunter iſt, heißt es Ottilie, denn ich hab’
es uͤber die Taufe gehalten, hab’ es mit meinen
Thraͤnen noch einmal getauft, — doch es ſind Freu-
denthraͤnen. Und Jhr alle werdet mich lieb haben
und ich Euch! Nicht wahr, Freund Anton? Es waͤre
Alles vorhanden, was wir brauchen zum haͤuslichen
Gluͤcke ... wo iſt die junge Frau?“
Anton ſchlug die Augen nieder.
„Er liebt!“ rief Ottilie aus, indem ſie freudig ihre
Haͤnde zuſammenſchlug; „er liebt! ich ſeh’ es an die-
ſem verſchaͤmten Schweigen. Er liebt eine And’re
und er kam, ſeine Hand mir anzubieten! Da iſt die
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/129>, abgerufen am 26.07.2024.
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