ter des Baron's, die Dich von sich wies? Die mit ihrer heißen Leidenschaft für den armen Korbflechter in der Brust, sich kalt und vornehm von der Welt zurück zog, von den Jhrigen, und hier in Deiner Hütte verkümmerte, verblich, alt und häßlich wurde vor der Zeit? Mitleid konntest Du für sie haben, Mitleid, Theilnahme, Großmuth, aber keine Liebe! Da bist Du, guter Junge, und willst das dürre, ver- kommene Bettelfräulein heim holen, auf ihrer Väter Schloß, damit sie an Dir und Deiner Jugend und Deinen Lebensfreuden hänge, wie ein Todtengeripp? Wo hast Du Deine fünf Sinne, daß Du nur eine Sekunde lang wähnen mochtest, Deine "kleine Tiele- tunke" werde sich so sehr verleugnen? Werde ein Ehebündniß eingehen, zu welchem Rechtlichkeitsge- fühl, kindliche Anhänglichkeit Dich leiten? Jch habe Dich zu lieb, Anton, um Deine Frau zu werden! Und ehrlich gesagt, ich bin zu stolz, um Dich jetzt zum Manne zu nehmen, wo Du ein reicher junger Herr bist, ich eine verblühte, arme Jungfrau. Stolz, und immer Stolz! wirst Du ausrufen. Mag sein. Der Stolz ist mein Erbtheil und in meiner Armuth ist er mein Reichthum! Jch danke Dir, Freund aus der Kindheit, Jugendgespiele, lieber, lieber Anton!
ter des Baron’s, die Dich von ſich wies? Die mit ihrer heißen Leidenſchaft fuͤr den armen Korbflechter in der Bruſt, ſich kalt und vornehm von der Welt zuruͤck zog, von den Jhrigen, und hier in Deiner Huͤtte verkuͤmmerte, verblich, alt und haͤßlich wurde vor der Zeit? Mitleid konnteſt Du fuͤr ſie haben, Mitleid, Theilnahme, Großmuth, aber keine Liebe! Da biſt Du, guter Junge, und willſt das duͤrre, ver- kommene Bettelfraͤulein heim holen, auf ihrer Vaͤter Schloß, damit ſie an Dir und Deiner Jugend und Deinen Lebensfreuden haͤnge, wie ein Todtengeripp? Wo haſt Du Deine fuͤnf Sinne, daß Du nur eine Sekunde lang waͤhnen mochteſt, Deine „kleine Tiele- tunke“ werde ſich ſo ſehr verleugnen? Werde ein Ehebuͤndniß eingehen, zu welchem Rechtlichkeitsge- fuͤhl, kindliche Anhaͤnglichkeit Dich leiten? Jch habe Dich zu lieb, Anton, um Deine Frau zu werden! Und ehrlich geſagt, ich bin zu ſtolz, um Dich jetzt zum Manne zu nehmen, wo Du ein reicher junger Herr biſt, ich eine verbluͤhte, arme Jungfrau. Stolz, und immer Stolz! wirſt Du ausrufen. Mag ſein. Der Stolz iſt mein Erbtheil und in meiner Armuth iſt er mein Reichthum! Jch danke Dir, Freund aus der Kindheit, Jugendgeſpiele, lieber, lieber Anton!
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ter des Baron’s, die Dich von ſich wies? Die mit
ihrer heißen Leidenſchaft fuͤr den armen Korbflechter
in der Bruſt, ſich kalt und vornehm von der Welt
zuruͤck zog, von den Jhrigen, und hier in Deiner
Huͤtte verkuͤmmerte, verblich, alt und haͤßlich wurde
vor der Zeit? Mitleid konnteſt Du fuͤr ſie haben,
Mitleid, Theilnahme, Großmuth, aber keine Liebe!
Da biſt Du, guter Junge, und willſt das duͤrre, ver-
kommene Bettelfraͤulein heim holen, auf ihrer Vaͤter
Schloß, damit ſie an Dir und Deiner Jugend und
Deinen Lebensfreuden haͤnge, wie ein Todtengeripp?
Wo haſt Du Deine fuͤnf Sinne, daß Du nur eine
Sekunde lang waͤhnen mochteſt, Deine „kleine Tiele-
tunke“ werde ſich ſo ſehr verleugnen? Werde ein
Ehebuͤndniß eingehen, zu welchem Rechtlichkeitsge-
fuͤhl, kindliche Anhaͤnglichkeit Dich leiten? Jch habe
Dich zu lieb, Anton, um Deine Frau zu werden!
Und ehrlich geſagt, ich bin zu ſtolz, um Dich jetzt
zum Manne zu nehmen, wo Du ein reicher junger
Herr biſt, ich eine verbluͤhte, arme Jungfrau. Stolz,
und immer Stolz! wirſt Du ausrufen. Mag ſein.
Der Stolz iſt mein Erbtheil und in meiner Armuth
iſt er mein Reichthum! Jch danke Dir, Freund aus
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/127>, abgerufen am 27.07.2024.
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