Antrag hab' ich erwartet. Wie ich vernommen, was gestern auf dem Schlosse geschehen, wußte ich, daß Anton Hahn kommen würde, mir seine Hand zu bie- ten. Jch würde mich auch betrübt haben, -- um seinetwillen, wenn er es nicht gethan. Denn es ist seines guten, edlen Herzens würdig; ist des Antons würdig, den ich liebte seit meinen Kinderjahren, den ich heute noch liebe, unverändert, wie ich ihn lieben werde bis zum letzten Lebenshauche. Mein Gott, wie sollt' ich's anfangen, Dich nicht zu lieben, Anton; Dich, Du Wonne und Schmerz meines ganzen trau- rigen Lebens. Ja, ja, so wahr ich lebe, ich liebe Dich! Aber, so wahr ich lebe, Du liebst mich nicht. Jch war Deiner Knabenzeit Morgentraum ... der Mann hat ausgeträumt. Du hast gelebt draussen, und geliebt, und vergessen und wieder geliebt ... wie könnt' es anders sein. Jch mußte Dir gleich- gültig werden. Nun kommst Du heim, da regen sich die begrabenen Erinnerungen im Schooße der Erde; säuseln herauf durch Gras, daß die dünnen Halme zittern und kleine Angerblümchen weinen. Die sanfte Abendmelodie rührt Dich -- Du nimmst Vergangen- heit für Gegenwart? ... Aber Du liebst mich nicht. Was auch solltest Du an mir lieben? Die stolze Toch-
Antrag hab’ ich erwartet. Wie ich vernommen, was geſtern auf dem Schloſſe geſchehen, wußte ich, daß Anton Hahn kommen wuͤrde, mir ſeine Hand zu bie- ten. Jch wuͤrde mich auch betruͤbt haben, — um ſeinetwillen, wenn er es nicht gethan. Denn es iſt ſeines guten, edlen Herzens wuͤrdig; iſt des Antons wuͤrdig, den ich liebte ſeit meinen Kinderjahren, den ich heute noch liebe, unveraͤndert, wie ich ihn lieben werde bis zum letzten Lebenshauche. Mein Gott, wie ſollt’ ich’s anfangen, Dich nicht zu lieben, Anton; Dich, Du Wonne und Schmerz meines ganzen trau- rigen Lebens. Ja, ja, ſo wahr ich lebe, ich liebe Dich! Aber, ſo wahr ich lebe, Du liebſt mich nicht. Jch war Deiner Knabenzeit Morgentraum ... der Mann hat ausgetraͤumt. Du haſt gelebt drauſſen, und geliebt, und vergeſſen und wieder geliebt ... wie koͤnnt’ es anders ſein. Jch mußte Dir gleich- guͤltig werden. Nun kommſt Du heim, da regen ſich die begrabenen Erinnerungen im Schooße der Erde; ſaͤuſeln herauf durch Gras, daß die duͤnnen Halme zittern und kleine Angerbluͤmchen weinen. Die ſanfte Abendmelodie ruͤhrt Dich — Du nimmſt Vergangen- heit fuͤr Gegenwart? ... Aber Du liebſt mich nicht. Was auch ſollteſt Du an mir lieben? Die ſtolze Toch-
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Antrag hab’ ich erwartet. Wie ich vernommen, was
geſtern auf dem Schloſſe geſchehen, wußte ich, daß
Anton Hahn kommen wuͤrde, mir ſeine Hand zu bie-
ten. Jch wuͤrde mich auch betruͤbt haben, — um
ſeinetwillen, wenn er es nicht gethan. Denn es iſt
ſeines guten, edlen Herzens wuͤrdig; iſt des Antons
wuͤrdig, den ich liebte ſeit meinen Kinderjahren, den
ich heute noch liebe, unveraͤndert, wie ich ihn lieben
werde bis zum letzten Lebenshauche. Mein Gott,
wie ſollt’ ich’s anfangen, Dich nicht zu lieben, Anton;
Dich, Du Wonne und Schmerz meines ganzen trau-
rigen Lebens. Ja, ja, ſo wahr ich lebe, ich liebe
Dich! Aber, ſo wahr ich lebe, Du liebſt mich nicht.
Jch war Deiner Knabenzeit Morgentraum ... der
Mann hat ausgetraͤumt. Du haſt gelebt drauſſen,
und geliebt, und vergeſſen und wieder geliebt ...
wie koͤnnt’ es anders ſein. Jch mußte Dir gleich-
guͤltig werden. Nun kommſt Du heim, da regen ſich
die begrabenen Erinnerungen im Schooße der Erde;
ſaͤuſeln herauf durch Gras, daß die duͤnnen Halme
zittern und kleine Angerbluͤmchen weinen. Die ſanfte
Abendmelodie ruͤhrt Dich — Du nimmſt Vergangen-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/126>, abgerufen am 27.07.2024.
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