Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

sie wohl und es war über beide, besonders aber über
den jungen Prediger, eine milde, theilnehmende
Freude verbreitet, die in ihrer wortkargen Jnnigkeit
lebhaft an den verstorbenen Vater, Antons unvergeß-
lichen Lehrer, erinnerte. Er ließ ein schnellbereitetes
Mahl auftragen, wozu er sie als Gäste einlud.

Kaum hatten die ersten Gläser das Gespräch
belebt, als auch schon "Tieletunkes" Name von den
Schwestern genannt wurde, offenbar in der Absicht,
zu erfahren, was "der Herr" für seine Jugendliebe
noch fühle, oder nicht mehr fühle. Dabei verhehlten
Beide durchaus nicht, daß sie mit Ottilien auf feind-
seligem Fuße lebten, seitdem diese sich ihrer Verheira-
thung offen entgegengestellt, auch nachher den
Umgang mit ihnen förmlich abgebrochen. Sie
gestanden ihrerseits Abneigung gegen die "stolze Per-
son" ein, und es bedurfte nur geringer Kenntniß des
menschlichen, vorzugsweise des weiblichen Herzens,
um zu durchschauen, daß ein Schwager, wie Anton
jetzt war, ihren Neid erregen werde; daß sie den
Gutsherrn der "alten Jungfer," wie sie Ottilien ein
für allemal nannten, nicht gönnten. Durch diese
Richtung des Gespräches verschwand die Heiterkeit
der kleinen Tischgesellschaft, der Pastor wie der

8*

ſie wohl und es war uͤber beide, beſonders aber uͤber
den jungen Prediger, eine milde, theilnehmende
Freude verbreitet, die in ihrer wortkargen Jnnigkeit
lebhaft an den verſtorbenen Vater, Antons unvergeß-
lichen Lehrer, erinnerte. Er ließ ein ſchnellbereitetes
Mahl auftragen, wozu er ſie als Gaͤſte einlud.

Kaum hatten die erſten Glaͤſer das Geſpraͤch
belebt, als auch ſchon „Tieletunkes“ Name von den
Schweſtern genannt wurde, offenbar in der Abſicht,
zu erfahren, was „der Herr“ fuͤr ſeine Jugendliebe
noch fuͤhle, oder nicht mehr fuͤhle. Dabei verhehlten
Beide durchaus nicht, daß ſie mit Ottilien auf feind-
ſeligem Fuße lebten, ſeitdem dieſe ſich ihrer Verheira-
thung offen entgegengeſtellt, auch nachher den
Umgang mit ihnen foͤrmlich abgebrochen. Sie
geſtanden ihrerſeits Abneigung gegen die „ſtolze Per-
ſon“ ein, und es bedurfte nur geringer Kenntniß des
menſchlichen, vorzugsweiſe des weiblichen Herzens,
um zu durchſchauen, daß ein Schwager, wie Anton
jetzt war, ihren Neid erregen werde; daß ſie den
Gutsherrn der „alten Jungfer,“ wie ſie Ottilien ein
fuͤr allemal nannten, nicht goͤnnten. Durch dieſe
Richtung des Geſpraͤches verſchwand die Heiterkeit
der kleinen Tiſchgeſellſchaft, der Paſtor wie der

8*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="115"/>
&#x017F;ie wohl und es war u&#x0364;ber beide, be&#x017F;onders aber u&#x0364;ber<lb/>
den jungen Prediger, eine milde, theilnehmende<lb/>
Freude verbreitet, die in ihrer wortkargen Jnnigkeit<lb/>
lebhaft an den ver&#x017F;torbenen Vater, Antons unvergeß-<lb/>
lichen Lehrer, erinnerte. Er ließ ein &#x017F;chnellbereitetes<lb/>
Mahl auftragen, wozu er &#x017F;ie als Ga&#x0364;&#x017F;te einlud.</p><lb/>
        <p>Kaum hatten die er&#x017F;ten Gla&#x0364;&#x017F;er das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch<lb/>
belebt, als auch &#x017F;chon &#x201E;Tieletunkes&#x201C; Name von den<lb/>
Schwe&#x017F;tern genannt wurde, offenbar in der Ab&#x017F;icht,<lb/>
zu erfahren, was &#x201E;der Herr&#x201C; fu&#x0364;r &#x017F;eine Jugendliebe<lb/>
noch fu&#x0364;hle, oder nicht mehr fu&#x0364;hle. Dabei verhehlten<lb/>
Beide durchaus nicht, daß &#x017F;ie mit Ottilien auf feind-<lb/>
&#x017F;eligem Fuße lebten, &#x017F;eitdem die&#x017F;e &#x017F;ich ihrer Verheira-<lb/>
thung offen entgegenge&#x017F;tellt, auch nachher den<lb/>
Umgang mit ihnen fo&#x0364;rmlich abgebrochen. Sie<lb/>
ge&#x017F;tanden ihrer&#x017F;eits Abneigung gegen die &#x201E;&#x017F;tolze Per-<lb/>
&#x017F;on&#x201C; ein, und es bedurfte nur geringer Kenntniß des<lb/>
men&#x017F;chlichen, vorzugswei&#x017F;e des weiblichen Herzens,<lb/>
um zu durch&#x017F;chauen, daß ein Schwager, wie Anton<lb/>
jetzt war, ihren Neid erregen werde; daß &#x017F;ie den<lb/>
Gutsherrn der &#x201E;alten Jungfer,&#x201C; wie &#x017F;ie Ottilien ein<lb/>
fu&#x0364;r allemal nannten, nicht go&#x0364;nnten. Durch die&#x017F;e<lb/>
Richtung des Ge&#x017F;pra&#x0364;ches ver&#x017F;chwand die Heiterkeit<lb/>
der kleinen Ti&#x017F;chge&#x017F;ell&#x017F;chaft, der Pa&#x017F;tor wie der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0119] ſie wohl und es war uͤber beide, beſonders aber uͤber den jungen Prediger, eine milde, theilnehmende Freude verbreitet, die in ihrer wortkargen Jnnigkeit lebhaft an den verſtorbenen Vater, Antons unvergeß- lichen Lehrer, erinnerte. Er ließ ein ſchnellbereitetes Mahl auftragen, wozu er ſie als Gaͤſte einlud. Kaum hatten die erſten Glaͤſer das Geſpraͤch belebt, als auch ſchon „Tieletunkes“ Name von den Schweſtern genannt wurde, offenbar in der Abſicht, zu erfahren, was „der Herr“ fuͤr ſeine Jugendliebe noch fuͤhle, oder nicht mehr fuͤhle. Dabei verhehlten Beide durchaus nicht, daß ſie mit Ottilien auf feind- ſeligem Fuße lebten, ſeitdem dieſe ſich ihrer Verheira- thung offen entgegengeſtellt, auch nachher den Umgang mit ihnen foͤrmlich abgebrochen. Sie geſtanden ihrerſeits Abneigung gegen die „ſtolze Per- ſon“ ein, und es bedurfte nur geringer Kenntniß des menſchlichen, vorzugsweiſe des weiblichen Herzens, um zu durchſchauen, daß ein Schwager, wie Anton jetzt war, ihren Neid erregen werde; daß ſie den Gutsherrn der „alten Jungfer,“ wie ſie Ottilien ein fuͤr allemal nannten, nicht goͤnnten. Durch dieſe Richtung des Geſpraͤches verſchwand die Heiterkeit der kleinen Tiſchgeſellſchaft, der Paſtor wie der 8*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/119
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/119>, abgerufen am 25.11.2024.