Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber Du bist jung und wirst herstellen, was seit Jah-
ren vernachläßiget wurde und verfiel.

Mir bleibt Sophienthal, das freundliche, stillab-
gelegene Dorf, in welchem ich geboren ward, wo
meine Eltern begraben liegen, woran kein Fluch haf-
tet, kein Blutfleck, kein übler Gedanke, ja nicht der
Hauch einer schlechten Nachrede. Dort, wo Deine
arme Mutter mich vor meiner Vermählung sah, wo
sie Vertrauen in mich setzen lernte; dort werd' ich
leben, einfach, fleißig, nur im Umgange mit meiner
lieben Freundin, der Frau des Pastors. Fern von
geräuschvollen Freuden, werde ich, wie es der Wittwe,
wie es der verwaiseten Mutter eines -- Selbstmör-
ders gebührt, Trost und Freude darin suchen und fin-
den, daß ich für Anderer Glück wirken darf. Dort
auch hoffe ich von meinem lieben Pflegesohne und
durch diesen zu vernehmen, daß er gereiniget von den
Flecken einer wirren, nicht tadellosen Vergangenheit,
sich zu vorwurfsfreiem Wandel, zu ehrenhafter Füh-
rung seiner Angelegenheiten erhebt. Wie fest ich
immer entschlossen bin, meine Thüre zu schließen vor
allen Eindringlingen, welche meinen Frieden stören
könnten, Dir, Anton, wird sie offen sein. Wenn Du Rath
einer mütterlichen Freundin, wenn Du in Schmerz

Aber Du biſt jung und wirſt herſtellen, was ſeit Jah-
ren vernachlaͤßiget wurde und verfiel.

Mir bleibt Sophienthal, das freundliche, ſtillab-
gelegene Dorf, in welchem ich geboren ward, wo
meine Eltern begraben liegen, woran kein Fluch haf-
tet, kein Blutfleck, kein uͤbler Gedanke, ja nicht der
Hauch einer ſchlechten Nachrede. Dort, wo Deine
arme Mutter mich vor meiner Vermaͤhlung ſah, wo
ſie Vertrauen in mich ſetzen lernte; dort werd’ ich
leben, einfach, fleißig, nur im Umgange mit meiner
lieben Freundin, der Frau des Paſtors. Fern von
geraͤuſchvollen Freuden, werde ich, wie es der Wittwe,
wie es der verwaiſeten Mutter eines — Selbſtmoͤr-
ders gebuͤhrt, Troſt und Freude darin ſuchen und fin-
den, daß ich fuͤr Anderer Gluͤck wirken darf. Dort
auch hoffe ich von meinem lieben Pflegeſohne und
durch dieſen zu vernehmen, daß er gereiniget von den
Flecken einer wirren, nicht tadelloſen Vergangenheit,
ſich zu vorwurfsfreiem Wandel, zu ehrenhafter Fuͤh-
rung ſeiner Angelegenheiten erhebt. Wie feſt ich
immer entſchloſſen bin, meine Thuͤre zu ſchließen vor
allen Eindringlingen, welche meinen Frieden ſtoͤren
koͤnnten, Dir, Anton, wird ſie offen ſein. Wenn Du Rath
einer muͤtterlichen Freundin, wenn Du in Schmerz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0116" n="112"/>
Aber Du bi&#x017F;t jung und wir&#x017F;t her&#x017F;tellen, was &#x017F;eit Jah-<lb/>
ren vernachla&#x0364;ßiget wurde und verfiel.</p><lb/>
        <p>Mir bleibt Sophienthal, das freundliche, &#x017F;tillab-<lb/>
gelegene Dorf, in welchem ich geboren ward, wo<lb/>
meine Eltern begraben liegen, woran kein Fluch haf-<lb/>
tet, kein Blutfleck, kein u&#x0364;bler Gedanke, ja nicht der<lb/>
Hauch einer &#x017F;chlechten Nachrede. Dort, wo Deine<lb/>
arme Mutter mich vor meiner Verma&#x0364;hlung &#x017F;ah, wo<lb/>
&#x017F;ie Vertrauen in mich &#x017F;etzen lernte; dort werd&#x2019; ich<lb/>
leben, einfach, fleißig, nur im Umgange mit meiner<lb/>
lieben Freundin, der Frau des Pa&#x017F;tors. Fern von<lb/>
gera&#x0364;u&#x017F;chvollen Freuden, werde ich, wie es der Wittwe,<lb/>
wie es der verwai&#x017F;eten Mutter eines &#x2014; Selb&#x017F;tmo&#x0364;r-<lb/>
ders gebu&#x0364;hrt, Tro&#x017F;t und Freude darin &#x017F;uchen und fin-<lb/>
den, daß ich fu&#x0364;r Anderer Glu&#x0364;ck wirken darf. Dort<lb/>
auch hoffe ich von meinem lieben Pflege&#x017F;ohne und<lb/>
durch die&#x017F;en zu vernehmen, daß er gereiniget von den<lb/>
Flecken einer wirren, nicht tadello&#x017F;en Vergangenheit,<lb/>
&#x017F;ich zu vorwurfsfreiem Wandel, zu ehrenhafter Fu&#x0364;h-<lb/>
rung &#x017F;einer Angelegenheiten erhebt. Wie fe&#x017F;t ich<lb/>
immer ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en bin, meine Thu&#x0364;re zu &#x017F;chließen vor<lb/>
allen Eindringlingen, welche meinen Frieden &#x017F;to&#x0364;ren<lb/>
ko&#x0364;nnten, Dir, Anton, wird &#x017F;ie offen &#x017F;ein. Wenn Du Rath<lb/>
einer mu&#x0364;tterlichen Freundin, wenn Du in Schmerz<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0116] Aber Du biſt jung und wirſt herſtellen, was ſeit Jah- ren vernachlaͤßiget wurde und verfiel. Mir bleibt Sophienthal, das freundliche, ſtillab- gelegene Dorf, in welchem ich geboren ward, wo meine Eltern begraben liegen, woran kein Fluch haf- tet, kein Blutfleck, kein uͤbler Gedanke, ja nicht der Hauch einer ſchlechten Nachrede. Dort, wo Deine arme Mutter mich vor meiner Vermaͤhlung ſah, wo ſie Vertrauen in mich ſetzen lernte; dort werd’ ich leben, einfach, fleißig, nur im Umgange mit meiner lieben Freundin, der Frau des Paſtors. Fern von geraͤuſchvollen Freuden, werde ich, wie es der Wittwe, wie es der verwaiſeten Mutter eines — Selbſtmoͤr- ders gebuͤhrt, Troſt und Freude darin ſuchen und fin- den, daß ich fuͤr Anderer Gluͤck wirken darf. Dort auch hoffe ich von meinem lieben Pflegeſohne und durch dieſen zu vernehmen, daß er gereiniget von den Flecken einer wirren, nicht tadelloſen Vergangenheit, ſich zu vorwurfsfreiem Wandel, zu ehrenhafter Fuͤh- rung ſeiner Angelegenheiten erhebt. Wie feſt ich immer entſchloſſen bin, meine Thuͤre zu ſchließen vor allen Eindringlingen, welche meinen Frieden ſtoͤren koͤnnten, Dir, Anton, wird ſie offen ſein. Wenn Du Rath einer muͤtterlichen Freundin, wenn Du in Schmerz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/116
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/116>, abgerufen am 25.11.2024.