Reue zu mildern; sein Vertrauen zu befestigen; ihm zu sagen, daß der Mutter Segen des Vaters Fluch lösen könne; und weil, sagte ich ihm, wahre Reue sich darin kund gebe, daß man durch sie und in ihr gut zu machen suche, was sich noch auf Erden gut machen lasse, so möge er damit beginnen, Dich, den Ausgestoßenen, durch ihn Vertriebenen, aufzusuchen, zu versöhnen, sich Dir brüderlich-liebend zuwenden und seines Vaters Ehrenschuld am Sohne seines Vaters ausgleichen.
Da sprang er auf, ein grauenhaftes Bild ver- zweifelnder Raserei. Es ist zu spät, rief er aus, ich hab' ihn ermordet! --
Jch bin keine Dame nach der Mode, Anton, die zu ihrem Riechfläschchen greift, wenn ein aussätziger Bettler die Hand nach ihr ausstreckt; ich falle nicht in Ohnmacht, wenn ich Blut fließen sehe; ich habe nicht gejammert und gewinselt über häusliche Leiden, an denen mein Ehestand reich war; ich kann körper- liche Schmerzen ertragen, und ich konnte oftmals lächeln, wenn Schmerzen der Seele in mir brannten; ich leide nicht an schwachen Nerven, und bin, wenn schon als Gräfin geboren und im Glanze aufgewach- sen, ein starkes Weib. Aber weißt Du, Anton, sei-
Reue zu mildern; ſein Vertrauen zu befeſtigen; ihm zu ſagen, daß der Mutter Segen des Vaters Fluch loͤſen koͤnne; und weil, ſagte ich ihm, wahre Reue ſich darin kund gebe, daß man durch ſie und in ihr gut zu machen ſuche, was ſich noch auf Erden gut machen laſſe, ſo moͤge er damit beginnen, Dich, den Ausgeſtoßenen, durch ihn Vertriebenen, aufzuſuchen, zu verſoͤhnen, ſich Dir bruͤderlich-liebend zuwenden und ſeines Vaters Ehrenſchuld am Sohne ſeines Vaters ausgleichen.
Da ſprang er auf, ein grauenhaftes Bild ver- zweifelnder Raſerei. Es iſt zu ſpaͤt, rief er aus, ich hab’ ihn ermordet! —
Jch bin keine Dame nach der Mode, Anton, die zu ihrem Riechflaͤſchchen greift, wenn ein ausſaͤtziger Bettler die Hand nach ihr ausſtreckt; ich falle nicht in Ohnmacht, wenn ich Blut fließen ſehe; ich habe nicht gejammert und gewinſelt uͤber haͤusliche Leiden, an denen mein Eheſtand reich war; ich kann koͤrper- liche Schmerzen ertragen, und ich konnte oftmals laͤcheln, wenn Schmerzen der Seele in mir brannten; ich leide nicht an ſchwachen Nerven, und bin, wenn ſchon als Graͤfin geboren und im Glanze aufgewach- ſen, ein ſtarkes Weib. Aber weißt Du, Anton, ſei-
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Reue zu mildern; ſein Vertrauen zu befeſtigen; ihm
zu ſagen, daß der Mutter Segen des Vaters Fluch
loͤſen koͤnne; und weil, ſagte ich ihm, wahre Reue
ſich darin kund gebe, daß man durch ſie und in ihr
gut zu machen ſuche, was ſich noch auf Erden gut
machen laſſe, ſo moͤge er damit beginnen, Dich, den
Ausgeſtoßenen, durch ihn Vertriebenen, aufzuſuchen,
zu verſoͤhnen, ſich Dir bruͤderlich-liebend zuwenden
und ſeines Vaters Ehrenſchuld am Sohne ſeines
Vaters ausgleichen.
Da ſprang er auf, ein grauenhaftes Bild ver-
zweifelnder Raſerei. Es iſt zu ſpaͤt, rief er aus, ich
hab’ ihn ermordet! —
Jch bin keine Dame nach der Mode, Anton, die
zu ihrem Riechflaͤſchchen greift, wenn ein ausſaͤtziger
Bettler die Hand nach ihr ausſtreckt; ich falle nicht
in Ohnmacht, wenn ich Blut fließen ſehe; ich habe
nicht gejammert und gewinſelt uͤber haͤusliche Leiden,
an denen mein Eheſtand reich war; ich kann koͤrper-
liche Schmerzen ertragen, und ich konnte oftmals
laͤcheln, wenn Schmerzen der Seele in mir brannten;
ich leide nicht an ſchwachen Nerven, und bin, wenn
ſchon als Graͤfin geboren und im Glanze aufgewach-
ſen, ein ſtarkes Weib. Aber weißt Du, Anton, ſei-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/113>, abgerufen am 27.07.2024.
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