indem eine göttliche Dame mit Euch zu reden wünscht.
So weit Schkramprl.
Und Anton lachte nicht. Wär' es nicht schon dunkel gewesen, der Riese hätte Thränen gesehen in den großen Augen seines jungen Freundes.
Anton suchte das Bild hervor, reichte es ihm, gab ihm die Hand und sagte: "Wort, Handschlag und That!"
Dann trennten sie sich.
Ein Diener der Gräfin Julie brachte Leuchter mit Wachskerzen.
Gleich darauf kam die Gräfin, sichtbar zur nächt- lichen Abreise gekleidet. Der lange schwarze Trauer- schleier umhüllte die hohe Gestalt. Draußen hörte man vor ihrem Reisewagen die Rosse wiehern.
Anton gedachte der Beschreibung, die seine arme Mutter von Gräfin Julia gemacht. Er fand Alles bestätiget, nur daß mit den Jahren anmuthige Jugend-Huld sich in würdevollen Ernst umgewandelt.
Die herrliche Frau nahm einen Lehnstuhl ein und winkte Anton, sich ihr gegenüber zu setzen.
"Junger Mann, ich darf Dich Sohn nennen; ich hab' ein Recht dazu, denn mein Sohn ist todt, --
indem eine goͤttliche Dame mit Euch zu reden wuͤnſcht.
So weit Schkramprl.
Und Anton lachte nicht. Waͤr’ es nicht ſchon dunkel geweſen, der Rieſe haͤtte Thraͤnen geſehen in den großen Augen ſeines jungen Freundes.
Anton ſuchte das Bild hervor, reichte es ihm, gab ihm die Hand und ſagte: „Wort, Handſchlag und That!“
Dann trennten ſie ſich.
Ein Diener der Graͤfin Julie brachte Leuchter mit Wachskerzen.
Gleich darauf kam die Graͤfin, ſichtbar zur naͤcht- lichen Abreiſe gekleidet. Der lange ſchwarze Trauer- ſchleier umhuͤllte die hohe Geſtalt. Draußen hoͤrte man vor ihrem Reiſewagen die Roſſe wiehern.
Anton gedachte der Beſchreibung, die ſeine arme Mutter von Graͤfin Julia gemacht. Er fand Alles beſtaͤtiget, nur daß mit den Jahren anmuthige Jugend-Huld ſich in wuͤrdevollen Ernſt umgewandelt.
Die herrliche Frau nahm einen Lehnſtuhl ein und winkte Anton, ſich ihr gegenuͤber zu ſetzen.
„Junger Mann, ich darf Dich Sohn nennen; ich hab’ ein Recht dazu, denn mein Sohn iſt todt, —
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indem eine goͤttliche Dame mit Euch zu reden
wuͤnſcht.
So weit Schkramprl.
Und Anton lachte nicht. Waͤr’ es nicht ſchon
dunkel geweſen, der Rieſe haͤtte Thraͤnen geſehen in
den großen Augen ſeines jungen Freundes.
Anton ſuchte das Bild hervor, reichte es ihm,
gab ihm die Hand und ſagte: „Wort, Handſchlag
und That!“
Dann trennten ſie ſich.
Ein Diener der Graͤfin Julie brachte Leuchter mit
Wachskerzen.
Gleich darauf kam die Graͤfin, ſichtbar zur naͤcht-
lichen Abreiſe gekleidet. Der lange ſchwarze Trauer-
ſchleier umhuͤllte die hohe Geſtalt. Draußen hoͤrte
man vor ihrem Reiſewagen die Roſſe wiehern.
Anton gedachte der Beſchreibung, die ſeine arme
Mutter von Graͤfin Julia gemacht. Er fand Alles
beſtaͤtiget, nur daß mit den Jahren anmuthige
Jugend-Huld ſich in wuͤrdevollen Ernſt umgewandelt.
Die herrliche Frau nahm einen Lehnſtuhl ein und
winkte Anton, ſich ihr gegenuͤber zu ſetzen.
„Junger Mann, ich darf Dich Sohn nennen; ich
hab’ ein Recht dazu, denn mein Sohn iſt todt, —
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/110>, abgerufen am 27.07.2024.
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