Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Lampenlichte, ob sie nicht etwa bereits Schaden
genommen, legte sie dann unversehrt auf den Tisch
und sprach freundlich: Antonio, ich verstehe Dich.
Wenn auch in Deinen Augen nur ein Thierführer,
fühl' ich doch italienisches Blut in meinen Adern und
dieses verkündet mir, was in Dir vorgeht. Aber sei
kein Narr. Für uns beide spielst Du gut genug, --
und für die Leute, die Dich in der Gasse bewundern
werden, auch. Warum die Geige zerschmettern, die
uns Geld bringen kann? Sieh' die Sterne dort oben!
die können wir auch nicht in die Hand nehmen; sollen
wir deshalb keine Lampen und Kerzen mehr brennen?
Die Sterne macht der liebe Gott, die Kerzen machen
wir Menschen; ohne Kerzen müßten wir manchen
langen Abend im Finstern sitzen. Laß' Deine Fiedel
am Leben; ist sie kein Stern für die Welt, ist sie doch
eine Kerze für Dich. Und jetzt komm' zur Ruhe.
Unsere Kameele ruhen gleichfalls.



Lampenlichte, ob ſie nicht etwa bereits Schaden
genommen, legte ſie dann unverſehrt auf den Tiſch
und ſprach freundlich: Antonio, ich verſtehe Dich.
Wenn auch in Deinen Augen nur ein Thierfuͤhrer,
fuͤhl’ ich doch italieniſches Blut in meinen Adern und
dieſes verkuͤndet mir, was in Dir vorgeht. Aber ſei
kein Narr. Fuͤr uns beide ſpielſt Du gut genug, —
und fuͤr die Leute, die Dich in der Gaſſe bewundern
werden, auch. Warum die Geige zerſchmettern, die
uns Geld bringen kann? Sieh’ die Sterne dort oben!
die koͤnnen wir auch nicht in die Hand nehmen; ſollen
wir deshalb keine Lampen und Kerzen mehr brennen?
Die Sterne macht der liebe Gott, die Kerzen machen
wir Menſchen; ohne Kerzen muͤßten wir manchen
langen Abend im Finſtern ſitzen. Laß’ Deine Fiedel
am Leben; iſt ſie kein Stern fuͤr die Welt, iſt ſie doch
eine Kerze fuͤr Dich. Und jetzt komm’ zur Ruhe.
Unſere Kameele ruhen gleichfalls.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="84"/>
Lampenlichte, ob &#x017F;ie nicht etwa bereits Schaden<lb/>
genommen, legte &#x017F;ie dann unver&#x017F;ehrt auf den Ti&#x017F;ch<lb/>
und &#x017F;prach freundlich: Antonio, ich ver&#x017F;tehe Dich.<lb/>
Wenn auch in Deinen Augen nur ein Thierfu&#x0364;hrer,<lb/>
fu&#x0364;hl&#x2019; ich doch italieni&#x017F;ches Blut in meinen Adern und<lb/>
die&#x017F;es verku&#x0364;ndet mir, was in <hi rendition="#g">Dir</hi> vorgeht. Aber &#x017F;ei<lb/>
kein Narr. Fu&#x0364;r uns beide &#x017F;piel&#x017F;t Du gut genug, &#x2014;<lb/>
und fu&#x0364;r die Leute, die Dich in der Ga&#x017F;&#x017F;e bewundern<lb/>
werden, auch. Warum die Geige zer&#x017F;chmettern, die<lb/>
uns Geld bringen kann? Sieh&#x2019; die Sterne dort oben!<lb/>
die ko&#x0364;nnen wir auch nicht in die Hand nehmen; &#x017F;ollen<lb/>
wir deshalb keine Lampen und Kerzen mehr brennen?<lb/>
Die Sterne macht der liebe Gott, die Kerzen machen<lb/>
wir Men&#x017F;chen; ohne Kerzen mu&#x0364;ßten wir manchen<lb/>
langen Abend im Fin&#x017F;tern &#x017F;itzen. Laß&#x2019; Deine Fiedel<lb/>
am Leben; i&#x017F;t &#x017F;ie kein Stern fu&#x0364;r die Welt, i&#x017F;t &#x017F;ie doch<lb/>
eine Kerze fu&#x0364;r Dich. Und jetzt komm&#x2019; zur Ruhe.<lb/>
Un&#x017F;ere Kameele ruhen gleichfalls.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0088] Lampenlichte, ob ſie nicht etwa bereits Schaden genommen, legte ſie dann unverſehrt auf den Tiſch und ſprach freundlich: Antonio, ich verſtehe Dich. Wenn auch in Deinen Augen nur ein Thierfuͤhrer, fuͤhl’ ich doch italieniſches Blut in meinen Adern und dieſes verkuͤndet mir, was in Dir vorgeht. Aber ſei kein Narr. Fuͤr uns beide ſpielſt Du gut genug, — und fuͤr die Leute, die Dich in der Gaſſe bewundern werden, auch. Warum die Geige zerſchmettern, die uns Geld bringen kann? Sieh’ die Sterne dort oben! die koͤnnen wir auch nicht in die Hand nehmen; ſollen wir deshalb keine Lampen und Kerzen mehr brennen? Die Sterne macht der liebe Gott, die Kerzen machen wir Menſchen; ohne Kerzen muͤßten wir manchen langen Abend im Finſtern ſitzen. Laß’ Deine Fiedel am Leben; iſt ſie kein Stern fuͤr die Welt, iſt ſie doch eine Kerze fuͤr Dich. Und jetzt komm’ zur Ruhe. Unſere Kameele ruhen gleichfalls.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/88
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/88>, abgerufen am 05.12.2024.