Paganini den Namen Lipinski gelesen, umarmte er den Ueberbringer, wandte sich zu den Umstehenden und verkündete des jungen Polen Lob und Preis, als des Einzigen von allen Virtuosen des Auslandes, welche ihm bekannt worden, vor dessen Genius er unbe- grenzte Achtung hege *). Ein Theil dieser Auszeich- nung schien gewillt, auf Anton überzugehen, nur daß man nicht wußte, wer und was der Empfohlene sei. Paganini hatte ihn umarmt, so zärtlich, wie wenn der Empfohlene der Empfehlende selbst wäre. Doch was nun mit ihm beginnen?
Sie sind auch Künstler? lautete die an ihn gerich- tete Frage, von deren Beantwortung das fernere Verhalten abhängig gemacht werden sollte.
Der Befragte, der während Paganini's Spiel den bei Lipinski schon gefaßten Vorsatz erneuert hatte, nie mehr den Bogen in die Hand zu nehmen, hätte jetzt nicht "Ja" erwiedern können, um alle Schätze der Erde. Er fühlte sich so gering, so dürftig, so nich- tig, daß er sich mit einem rohen irdenen Gefäße ohne Jnhalt verglich, werthlos und leer, dem nichts Besse-
*) Eigene Worte Paganini's, aus seinem Munde ver- nommen. H.
Die Vagabunden. III. 6
Paganini den Namen Lipinski geleſen, umarmte er den Ueberbringer, wandte ſich zu den Umſtehenden und verkuͤndete des jungen Polen Lob und Preis, als des Einzigen von allen Virtuoſen des Auslandes, welche ihm bekannt worden, vor deſſen Genius er unbe- grenzte Achtung hege *). Ein Theil dieſer Auszeich- nung ſchien gewillt, auf Anton uͤberzugehen, nur daß man nicht wußte, wer und was der Empfohlene ſei. Paganini hatte ihn umarmt, ſo zaͤrtlich, wie wenn der Empfohlene der Empfehlende ſelbſt waͤre. Doch was nun mit ihm beginnen?
Sie ſind auch Kuͤnſtler? lautete die an ihn gerich- tete Frage, von deren Beantwortung das fernere Verhalten abhaͤngig gemacht werden ſollte.
Der Befragte, der waͤhrend Paganini’s Spiel den bei Lipinski ſchon gefaßten Vorſatz erneuert hatte, nie mehr den Bogen in die Hand zu nehmen, haͤtte jetzt nicht „Ja“ erwiedern koͤnnen, um alle Schaͤtze der Erde. Er fuͤhlte ſich ſo gering, ſo duͤrftig, ſo nich- tig, daß er ſich mit einem rohen irdenen Gefaͤße ohne Jnhalt verglich, werthlos und leer, dem nichts Beſſe-
*) Eigene Worte Paganini’s, aus ſeinem Munde ver- nommen. H.
Die Vagabunden. III. 6
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Paganini den Namen Lipinski geleſen, umarmte er den
Ueberbringer, wandte ſich zu den Umſtehenden und
verkuͤndete des jungen Polen Lob und Preis, als des
Einzigen von allen Virtuoſen des Auslandes, welche
ihm bekannt worden, vor deſſen Genius er unbe-
grenzte Achtung hege *). Ein Theil dieſer Auszeich-
nung ſchien gewillt, auf Anton uͤberzugehen, nur daß
man nicht wußte, wer und was der Empfohlene ſei.
Paganini hatte ihn umarmt, ſo zaͤrtlich, wie wenn
der Empfohlene der Empfehlende ſelbſt waͤre. Doch
was nun mit ihm beginnen?
Sie ſind auch Kuͤnſtler? lautete die an ihn gerich-
tete Frage, von deren Beantwortung das fernere
Verhalten abhaͤngig gemacht werden ſollte.
Der Befragte, der waͤhrend Paganini’s Spiel
den bei Lipinski ſchon gefaßten Vorſatz erneuert hatte,
nie mehr den Bogen in die Hand zu nehmen, haͤtte
jetzt nicht „Ja“ erwiedern koͤnnen, um alle Schaͤtze
der Erde. Er fuͤhlte ſich ſo gering, ſo duͤrftig, ſo nich-
tig, daß er ſich mit einem rohen irdenen Gefaͤße ohne
Jnhalt verglich, werthlos und leer, dem nichts Beſſe-
*) Eigene Worte Paganini’s, aus ſeinem Munde ver-
nommen. H.
Die Vagabunden. III. 6
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/85>, abgerufen am 26.07.2024.
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