Sogleich rief Anton: Herr van der Helfft? Sie? ....
Und Theodor entgegnete: "Sie staunen, daß ich Sie zu mir bitten ließ? Nach Allem was zwischen uns sich zugetragen und den Gebräuchen zu Folge wie sie unter gebildeten Menschen auf Erden herrschen dürften wir uns nur mit Pistolen in der Faust wie- der begegnen, oder müßten uns vermeiden. Jch weiß das. Doch weiß ich auch, daß diese Gebräuche nur für lebende, lebendige Menschen gelten; der Todte ist nicht mehr verpflichtet, sich ihnen zu fügen. Und ich bin ein todter Mensch. Daß ich noch rede ändert nichts in der Sache. Jch bin ein Leichnam.
Als ich Sie neben dieser Kutsche wandernd Jhres Weges ziehen sah und Sie augenblicklich erkannte, regte sich der verzeihliche Wunsch in mir, mit Jhnen zu besprechen, was uns Beide so nahe berührt. Erst auf meine Veranlassung wurden Sie durch Petrillo aufgefordert, die kleine Reise mit uns zu machen. Jetzt hoff' ich, Sie werden meine Bitte erfüllen: Sterbenden pflegt man, wo möglich, nichts abzu- schlagen. Lassen Sie mich erfahren, was Sie und Jhr Verhältniß zu ..... zu der Todten angeht. Ohne Rücksicht, ohne Zurückhaltung, ohne Schonung!
Sogleich rief Anton: Herr van der Helfft? Sie? ....
Und Theodor entgegnete: „Sie ſtaunen, daß ich Sie zu mir bitten ließ? Nach Allem was zwiſchen uns ſich zugetragen und den Gebraͤuchen zu Folge wie ſie unter gebildeten Menſchen auf Erden herrſchen duͤrften wir uns nur mit Piſtolen in der Fauſt wie- der begegnen, oder muͤßten uns vermeiden. Jch weiß das. Doch weiß ich auch, daß dieſe Gebraͤuche nur fuͤr lebende, lebendige Menſchen gelten; der Todte iſt nicht mehr verpflichtet, ſich ihnen zu fuͤgen. Und ich bin ein todter Menſch. Daß ich noch rede aͤndert nichts in der Sache. Jch bin ein Leichnam.
Als ich Sie neben dieſer Kutſche wandernd Jhres Weges ziehen ſah und Sie augenblicklich erkannte, regte ſich der verzeihliche Wunſch in mir, mit Jhnen zu beſprechen, was uns Beide ſo nahe beruͤhrt. Erſt auf meine Veranlaſſung wurden Sie durch Petrillo aufgefordert, die kleine Reiſe mit uns zu machen. Jetzt hoff’ ich, Sie werden meine Bitte erfuͤllen: Sterbenden pflegt man, wo moͤglich, nichts abzu- ſchlagen. Laſſen Sie mich erfahren, was Sie und Jhr Verhaͤltniß zu ..... zu der Todten angeht. Ohne Ruͤckſicht, ohne Zuruͤckhaltung, ohne Schonung!
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Sogleich rief Anton: Herr van der Helfft?
Sie? ....
Und Theodor entgegnete: „Sie ſtaunen, daß ich
Sie zu mir bitten ließ? Nach Allem was zwiſchen
uns ſich zugetragen und den Gebraͤuchen zu Folge
wie ſie unter gebildeten Menſchen auf Erden herrſchen
duͤrften wir uns nur mit Piſtolen in der Fauſt wie-
der begegnen, oder muͤßten uns vermeiden. Jch weiß
das. Doch weiß ich auch, daß dieſe Gebraͤuche nur
fuͤr lebende, lebendige Menſchen gelten; der Todte iſt
nicht mehr verpflichtet, ſich ihnen zu fuͤgen. Und ich
bin ein todter Menſch. Daß ich noch rede aͤndert
nichts in der Sache. Jch bin ein Leichnam.
Als ich Sie neben dieſer Kutſche wandernd Jhres
Weges ziehen ſah und Sie augenblicklich erkannte,
regte ſich der verzeihliche Wunſch in mir, mit Jhnen
zu beſprechen, was uns Beide ſo nahe beruͤhrt. Erſt
auf meine Veranlaſſung wurden Sie durch Petrillo
aufgefordert, die kleine Reiſe mit uns zu machen.
Jetzt hoff’ ich, Sie werden meine Bitte erfuͤllen:
Sterbenden pflegt man, wo moͤglich, nichts abzu-
ſchlagen. Laſſen Sie mich erfahren, was Sie und
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/45>, abgerufen am 05.07.2024.
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