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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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dahin. Mit jedem Poststeine den sie zurückließen
mehrte sich Anton's Erwartung: was er durch Sig-
nora Carina vernehmen solle. Sie war es, wie
er vermuthete, sie auf Erden allein, die ihm das Ende
seiner Mutter, den Namen seines Vaters, ja, was
noch wichtiger wurde: die ihm Wege und Mittel zur
Ausgleichung, zur Versöhnung mit diesem bezeichnen
konnte. Nur in dieser Hoffnung gewann die Kennt-
niß von seines Vaters Aufenthalte Werth für ihn;
nur durch die Entdeckung, daß väterliche Gesinnung
den Mann beseele, der ihm bisher ein Fremder
geblieben!

"Einen Vater, der sich schämt, mich anzuerken-
nen, mag ich eben so wenig kennen lernen, als ich
jemals die selige Großmutter nur mit einer Silbe
gefragt habe, wie er heißt und wo er wohnt! -- So
wäre gar meine arme Mutter nicht, wie wir wähn-
ten, bei der großen Ueberschwemmung in N. umge-
kommen? Sie wäre vielleicht in fremde Länder ent-
flohen? Vielleicht nach Jtalien, wo Carino's Gefähr-
tin mit ihr bekannt gewesen? Und rührte von dieser
letzteren etwa die Zuschrift her, die meiner Großmut-
ter Ende herbeiführte?? ...."

Bei solchen Fragen, welche Anton während Zara

dahin. Mit jedem Poſtſteine den ſie zuruͤckließen
mehrte ſich Anton’s Erwartung: was er durch Sig-
nora Carina vernehmen ſolle. Sie war es, wie
er vermuthete, ſie auf Erden allein, die ihm das Ende
ſeiner Mutter, den Namen ſeines Vaters, ja, was
noch wichtiger wurde: die ihm Wege und Mittel zur
Ausgleichung, zur Verſoͤhnung mit dieſem bezeichnen
konnte. Nur in dieſer Hoffnung gewann die Kennt-
niß von ſeines Vaters Aufenthalte Werth fuͤr ihn;
nur durch die Entdeckung, daß vaͤterliche Geſinnung
den Mann beſeele, der ihm bisher ein Fremder
geblieben!

„Einen Vater, der ſich ſchaͤmt, mich anzuerken-
nen, mag ich eben ſo wenig kennen lernen, als ich
jemals die ſelige Großmutter nur mit einer Silbe
gefragt habe, wie er heißt und wo er wohnt! — So
waͤre gar meine arme Mutter nicht, wie wir waͤhn-
ten, bei der großen Ueberſchwemmung in N. umge-
kommen? Sie waͤre vielleicht in fremde Laͤnder ent-
flohen? Vielleicht nach Jtalien, wo Carino’s Gefaͤhr-
tin mit ihr bekannt geweſen? Und ruͤhrte von dieſer
letzteren etwa die Zuſchrift her, die meiner Großmut-
ter Ende herbeifuͤhrte?? ....“

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[38/0042] dahin. Mit jedem Poſtſteine den ſie zuruͤckließen mehrte ſich Anton’s Erwartung: was er durch Sig- nora Carina vernehmen ſolle. Sie war es, wie er vermuthete, ſie auf Erden allein, die ihm das Ende ſeiner Mutter, den Namen ſeines Vaters, ja, was noch wichtiger wurde: die ihm Wege und Mittel zur Ausgleichung, zur Verſoͤhnung mit dieſem bezeichnen konnte. Nur in dieſer Hoffnung gewann die Kennt- niß von ſeines Vaters Aufenthalte Werth fuͤr ihn; nur durch die Entdeckung, daß vaͤterliche Geſinnung den Mann beſeele, der ihm bisher ein Fremder geblieben! „Einen Vater, der ſich ſchaͤmt, mich anzuerken- nen, mag ich eben ſo wenig kennen lernen, als ich jemals die ſelige Großmutter nur mit einer Silbe gefragt habe, wie er heißt und wo er wohnt! — So waͤre gar meine arme Mutter nicht, wie wir waͤhn- ten, bei der großen Ueberſchwemmung in N. umge- kommen? Sie waͤre vielleicht in fremde Laͤnder ent- flohen? Vielleicht nach Jtalien, wo Carino’s Gefaͤhr- tin mit ihr bekannt geweſen? Und ruͤhrte von dieſer letzteren etwa die Zuſchrift her, die meiner Großmut- ter Ende herbeifuͤhrte?? ....“ Bei ſolchen Fragen, welche Anton waͤhrend Zara

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/42>, abgerufen am 04.12.2024.