Jch kannte jenen Gegenstand Deiner Liebe nicht, versetzte Anton. Dein Vergleich aber, in meiner beschränkten Ansicht von Schön und Nichtschön, gereicht der Dame Deines Herzens nicht zu besonde- rem Vortheil. Was mich betrifft, verzeih' mir Gott die Sünde, ich kann das Rhinozeros nicht anblicken, ohne an Onkel Nasus zu denken.
"An Jhren Onkel? Gut, Herr Antoine. Mag dieser Onkel leben, oder todt sein; wenn er unserem Rhinozeros ähnlich sah, war er ein würdiger Mann!"
Anton hatte keine Ursache, dem Rothbart zu ver- schweigen, daß sein Weg ihn nach Pisa führe; auch hielt falsche Schaam ihn nicht ab, einzugestehen, wie der Staub der Landstraße, die Last eines Felleisens und die Müdigkeit verwöhnter Füße auf die Länge wenig zum Vergnügen des Reisenden beitrügen; wie er sehr zufrieden sein wollte, wenn seine Finanzen ihm gestatteten, auf einige Tage mit dem Rhinozeros zu tauschen, welches in eigenem Wagen, von zwölf Rossen gezogen, als großer Herr reisete. Jch wollte, versicherte er, mit einem Sechstheil dieser Ehren
Jch kannte jenen Gegenſtand Deiner Liebe nicht, verſetzte Anton. Dein Vergleich aber, in meiner beſchraͤnkten Anſicht von Schoͤn und Nichtſchoͤn, gereicht der Dame Deines Herzens nicht zu beſonde- rem Vortheil. Was mich betrifft, verzeih’ mir Gott die Suͤnde, ich kann das Rhinozeros nicht anblicken, ohne an Onkel Naſus zu denken.
„An Jhren Onkel? Gut, Herr Antoine. Mag dieſer Onkel leben, oder todt ſein; wenn er unſerem Rhinozeros aͤhnlich ſah, war er ein wuͤrdiger Mann!“
Anton hatte keine Urſache, dem Rothbart zu ver- ſchweigen, daß ſein Weg ihn nach Piſa fuͤhre; auch hielt falſche Schaam ihn nicht ab, einzugeſtehen, wie der Staub der Landſtraße, die Laſt eines Felleiſens und die Muͤdigkeit verwoͤhnter Fuͤße auf die Laͤnge wenig zum Vergnuͤgen des Reiſenden beitruͤgen; wie er ſehr zufrieden ſein wollte, wenn ſeine Finanzen ihm geſtatteten, auf einige Tage mit dem Rhinozeros zu tauſchen, welches in eigenem Wagen, von zwoͤlf Roſſen gezogen, als großer Herr reiſete. Jch wollte, verſicherte er, mit einem Sechstheil dieſer Ehren
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Jch kannte jenen Gegenſtand Deiner Liebe nicht,
verſetzte Anton. Dein Vergleich aber, in meiner
beſchraͤnkten Anſicht von Schoͤn und Nichtſchoͤn,
gereicht der Dame Deines Herzens nicht zu beſonde-
rem Vortheil. Was mich betrifft, verzeih’ mir Gott
die Suͤnde, ich kann das Rhinozeros nicht anblicken,
ohne an Onkel Naſus zu denken.
„An Jhren Onkel? Gut, Herr Antoine. Mag
dieſer Onkel leben, oder todt ſein; wenn er unſerem
Rhinozeros aͤhnlich ſah, war er ein wuͤrdiger Mann!“
Anton hatte keine Urſache, dem Rothbart zu ver-
ſchweigen, daß ſein Weg ihn nach Piſa fuͤhre; auch
hielt falſche Schaam ihn nicht ab, einzugeſtehen, wie
der Staub der Landſtraße, die Laſt eines Felleiſens
und die Muͤdigkeit verwoͤhnter Fuͤße auf die Laͤnge
wenig zum Vergnuͤgen des Reiſenden beitruͤgen; wie
er ſehr zufrieden ſein wollte, wenn ſeine Finanzen ihm
geſtatteten, auf einige Tage mit dem Rhinozeros zu
tauſchen, welches in eigenem Wagen, von zwoͤlf
Roſſen gezogen, als großer Herr reiſete. Jch wollte,
verſicherte er, mit einem Sechstheil dieſer Ehren
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/38>, abgerufen am 17.02.2025.
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