Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

spricht eine Simonelli. Als ob die Ehre nicht auch
etwas wäre! Genug, sie kauft Löwen, Tiger, Hyä-
nen, Affen und so weiter, den alten abgestandenen
Küchenzettel. Ein Anderer -- o es thut mir weh'
um meine alte Simonelli -- schließt diesen großen
Handel. Was blieb mir übrig? Jch konnte nicht bei
ihr bleiben; ich trennte mich mit schwerem Herzen,
das will ich nicht leugnen; aber ich trennte mich und
folgte dem Rhinozeros."

Anton fügte sich sehr gern der Einladung des
begeisterten Mannes und ließ sich durch ihn bei dem
gewaltigen, ein ganzes Vermögen aufwiegenden Thiere
einführen. Selten mag es sein, sprach er, obwohl der
Preis auch ein seltener ist; doch schön kann ich es
nicht finden, lieber Jean; beim besten Willen nicht.

"Nicht schön?" schrie Jean, indem er verzwei-
flungsvoll seinen rothen Bart raufte; "Sie auch,
Antoine, finden es nicht schön, der Sie unter Thieren
sich herangebildet, entwickelt haben, der Sie wissen
könnten, was schön ist? Nun, alle Heiligen erbarmen
sich meiner! Wenn das nicht schön ist, was giebt es
dann Schönes in der Schöpfung? Jch finde es schö-
ner, als des Nachtwächters älteste Tochter in K.
Mehr vermag ich nicht zu sagen."

Die Vagabunden. III. 3

ſpricht eine Simonelli. Als ob die Ehre nicht auch
etwas waͤre! Genug, ſie kauft Loͤwen, Tiger, Hyaͤ-
nen, Affen und ſo weiter, den alten abgeſtandenen
Kuͤchenzettel. Ein Anderer — o es thut mir weh’
um meine alte Simonelli — ſchließt dieſen großen
Handel. Was blieb mir uͤbrig? Jch konnte nicht bei
ihr bleiben; ich trennte mich mit ſchwerem Herzen,
das will ich nicht leugnen; aber ich trennte mich und
folgte dem Rhinozeros.“

Anton fuͤgte ſich ſehr gern der Einladung des
begeiſterten Mannes und ließ ſich durch ihn bei dem
gewaltigen, ein ganzes Vermoͤgen aufwiegenden Thiere
einfuͤhren. Selten mag es ſein, ſprach er, obwohl der
Preis auch ein ſeltener iſt; doch ſchoͤn kann ich es
nicht finden, lieber Jean; beim beſten Willen nicht.

„Nicht ſchoͤn?“ ſchrie Jean, indem er verzwei-
flungsvoll ſeinen rothen Bart raufte; „Sie auch,
Antoine, finden es nicht ſchoͤn, der Sie unter Thieren
ſich herangebildet, entwickelt haben, der Sie wiſſen
koͤnnten, was ſchoͤn iſt? Nun, alle Heiligen erbarmen
ſich meiner! Wenn das nicht ſchoͤn iſt, was giebt es
dann Schoͤnes in der Schoͤpfung? Jch finde es ſchoͤ-
ner, als des Nachtwaͤchters aͤlteſte Tochter in K.
Mehr vermag ich nicht zu ſagen.“

Die Vagabunden. III. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="33"/>
&#x017F;pricht eine Simonelli. Als ob die Ehre nicht auch<lb/>
etwas wa&#x0364;re! Genug, &#x017F;ie kauft Lo&#x0364;wen, Tiger, Hya&#x0364;-<lb/>
nen, Affen und &#x017F;o weiter, den alten abge&#x017F;tandenen<lb/>
Ku&#x0364;chenzettel. Ein Anderer &#x2014; o es thut mir weh&#x2019;<lb/>
um meine alte Simonelli &#x2014; &#x017F;chließt die&#x017F;en großen<lb/>
Handel. Was blieb mir u&#x0364;brig? Jch konnte nicht bei<lb/>
ihr bleiben; ich trennte mich mit &#x017F;chwerem Herzen,<lb/>
das will ich nicht leugnen; aber ich trennte mich und<lb/>
folgte dem Rhinozeros.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Anton fu&#x0364;gte &#x017F;ich &#x017F;ehr gern der Einladung des<lb/>
begei&#x017F;terten Mannes und ließ &#x017F;ich durch ihn bei dem<lb/>
gewaltigen, ein ganzes Vermo&#x0364;gen aufwiegenden Thiere<lb/>
einfu&#x0364;hren. Selten mag es &#x017F;ein, &#x017F;prach er, obwohl der<lb/>
Preis auch ein &#x017F;eltener i&#x017F;t; doch &#x017F;cho&#x0364;n kann ich es<lb/>
nicht finden, lieber Jean; beim be&#x017F;ten Willen nicht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht &#x017F;cho&#x0364;n?&#x201C; &#x017F;chrie Jean, indem er verzwei-<lb/>
flungsvoll &#x017F;einen rothen Bart raufte; &#x201E;Sie auch,<lb/>
Antoine, finden es nicht &#x017F;cho&#x0364;n, der Sie unter Thieren<lb/>
&#x017F;ich herangebildet, entwickelt haben, der Sie wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nnten, <hi rendition="#g">was</hi> &#x017F;cho&#x0364;n i&#x017F;t? Nun, alle Heiligen erbarmen<lb/>
&#x017F;ich meiner! Wenn <hi rendition="#g">das</hi> nicht &#x017F;cho&#x0364;n i&#x017F;t, was giebt es<lb/>
dann Scho&#x0364;nes in der Scho&#x0364;pfung? Jch finde es &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
ner, als des Nachtwa&#x0364;chters a&#x0364;lte&#x017F;te Tochter in K.<lb/>
Mehr vermag ich nicht zu &#x017F;agen.&#x201C;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Die Vagabunden. <hi rendition="#aq">III.</hi> 3</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0037] ſpricht eine Simonelli. Als ob die Ehre nicht auch etwas waͤre! Genug, ſie kauft Loͤwen, Tiger, Hyaͤ- nen, Affen und ſo weiter, den alten abgeſtandenen Kuͤchenzettel. Ein Anderer — o es thut mir weh’ um meine alte Simonelli — ſchließt dieſen großen Handel. Was blieb mir uͤbrig? Jch konnte nicht bei ihr bleiben; ich trennte mich mit ſchwerem Herzen, das will ich nicht leugnen; aber ich trennte mich und folgte dem Rhinozeros.“ Anton fuͤgte ſich ſehr gern der Einladung des begeiſterten Mannes und ließ ſich durch ihn bei dem gewaltigen, ein ganzes Vermoͤgen aufwiegenden Thiere einfuͤhren. Selten mag es ſein, ſprach er, obwohl der Preis auch ein ſeltener iſt; doch ſchoͤn kann ich es nicht finden, lieber Jean; beim beſten Willen nicht. „Nicht ſchoͤn?“ ſchrie Jean, indem er verzwei- flungsvoll ſeinen rothen Bart raufte; „Sie auch, Antoine, finden es nicht ſchoͤn, der Sie unter Thieren ſich herangebildet, entwickelt haben, der Sie wiſſen koͤnnten, was ſchoͤn iſt? Nun, alle Heiligen erbarmen ſich meiner! Wenn das nicht ſchoͤn iſt, was giebt es dann Schoͤnes in der Schoͤpfung? Jch finde es ſchoͤ- ner, als des Nachtwaͤchters aͤlteſte Tochter in K. Mehr vermag ich nicht zu ſagen.“ Die Vagabunden. III. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/37
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/37>, abgerufen am 04.12.2024.