von Anton war herzlich; es flackerte, da er ihm Lebe- wohl sagte, noch einmal der Humor des Alten auf und ein geistiges Verständniß dessen, was die Ver- storbene ihm und seinem Geschäft, was Anton der Verstorbenen gewesen, schien noch einmal das umne- belte Haupt für etliche Minuten zu erhellen. Diesen lichten Moment gab er mit freundlichen Worten dem Scheidenden kund. Gleich darauf sank er wieder in Apathie.
Anton hatte seiner Mutter Handschrift und ander- weitigen Papiere bis nach dem Begräbniß unberührt gelassen. Jetzt müssen wir einiges daraus und darüber nachtragen. Zuerst den Schluß des Manuscriptes:
"Du findest, mein geliebter Sohn, in dem Pak- ket, welches diesen Blättern beiliegt, die wenigen Briefe, die Dein Vater mir gesendet, da er noch wähnte, mich zu lieben; auch Dein Taufzeugniß liegt eingeschlossen dabei. Der Gewohnheit, diese Briefe immer bei mir zu tragen, verdanke ich, daß sie bei meiner Flucht nicht in N. zurückblieben. Diese Briefe sowohl, als auch das Zeugniß sammt einem andern Blatte von der Hand unseres alten Nach- mittags-Predigers zu N., können Dir wichtig und nützlich werden, wenn Du, woran ich nicht zweifle,
von Anton war herzlich; es flackerte, da er ihm Lebe- wohl ſagte, noch einmal der Humor des Alten auf und ein geiſtiges Verſtaͤndniß deſſen, was die Ver- ſtorbene ihm und ſeinem Geſchaͤft, was Anton der Verſtorbenen geweſen, ſchien noch einmal das umne- belte Haupt fuͤr etliche Minuten zu erhellen. Dieſen lichten Moment gab er mit freundlichen Worten dem Scheidenden kund. Gleich darauf ſank er wieder in Apathie.
Anton hatte ſeiner Mutter Handſchrift und ander- weitigen Papiere bis nach dem Begraͤbniß unberuͤhrt gelaſſen. Jetzt muͤſſen wir einiges daraus und daruͤber nachtragen. Zuerſt den Schluß des Manuſcriptes:
„Du findeſt, mein geliebter Sohn, in dem Pak- ket, welches dieſen Blaͤttern beiliegt, die wenigen Briefe, die Dein Vater mir geſendet, da er noch waͤhnte, mich zu lieben; auch Dein Taufzeugniß liegt eingeſchloſſen dabei. Der Gewohnheit, dieſe Briefe immer bei mir zu tragen, verdanke ich, daß ſie bei meiner Flucht nicht in N. zuruͤckblieben. Dieſe Briefe ſowohl, als auch das Zeugniß ſammt einem andern Blatte von der Hand unſeres alten Nach- mittags-Predigers zu N., koͤnnen Dir wichtig und nuͤtzlich werden, wenn Du, woran ich nicht zweifle,
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von Anton war herzlich; es flackerte, da er ihm Lebe-
wohl ſagte, noch einmal der Humor des Alten auf
und ein geiſtiges Verſtaͤndniß deſſen, was die Ver-
ſtorbene ihm und ſeinem Geſchaͤft, was Anton der
Verſtorbenen geweſen, ſchien noch einmal das umne-
belte Haupt fuͤr etliche Minuten zu erhellen. Dieſen
lichten Moment gab er mit freundlichen Worten dem
Scheidenden kund. Gleich darauf ſank er wieder in
Apathie.
Anton hatte ſeiner Mutter Handſchrift und ander-
weitigen Papiere bis nach dem Begraͤbniß unberuͤhrt
gelaſſen. Jetzt muͤſſen wir einiges daraus und daruͤber
nachtragen. Zuerſt den Schluß des Manuſcriptes:
„Du findeſt, mein geliebter Sohn, in dem Pak-
ket, welches dieſen Blaͤttern beiliegt, die wenigen
Briefe, die Dein Vater mir geſendet, da er noch
waͤhnte, mich zu lieben; auch Dein Taufzeugniß
liegt eingeſchloſſen dabei. Der Gewohnheit, dieſe
Briefe immer bei mir zu tragen, verdanke ich, daß
ſie bei meiner Flucht nicht in N. zuruͤckblieben. Dieſe
Briefe ſowohl, als auch das Zeugniß ſammt einem
andern Blatte von der Hand unſeres alten Nach-
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nuͤtzlich werden, wenn Du, woran ich nicht zweifle,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/278>, abgerufen am 26.07.2024.
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