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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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das selige Ende Deiner Großmutter beschrieben, nicht
ahnend, was die Sterbende dabei empfunden. Ach
Anton, ich zitt're, Sie wiederzufinden, die uns Bei-
den Mutter gewesen. Wird sie ihr undankbares,
treuloses Kind nicht anklagen als ihre Mörderin vor
Gottes Thron?

Was hätt' ich nun weiter noch von mir zu sagen;
daß ich mich fester an Carino schloß denn jemals,
weil die erneuerte Mahnung an Mutter und Sohn,
welche beide mein Frevel mir geraubt, mich das Be-
dürfniß, einem Wesen auf Erden anzugehören,
furchtbar ernst empfinden ließ. Er war zu gut-
müthig, mich von sich zu stoßen; mich deutlich mer-
ken zu lassen, daß ich ihm eine Last sei; doch konnt'
ich es ahnen. Meine gepriesene Schönheit schwand
mit der Jugend; meine Stimme nahm ab; nur höch-
stes Aufgebot der Kunstfertigkeit hielt mich noch.
Jtaliens große Städte, die mich in meiner Blüthe
bewundert, hatten kaum noch Nachsicht für die
alternde Künstlerin; ich errang mir mit Noth und
Mühe hier und da, was man einen succes d'estime
nennt. Carino schlug vor, man möge es mit Paris
versuchen, wo er als Virtuose zu glänzen wähnte.
Jch fand unzählige Schwierigkeiten und Kabalen, die

das ſelige Ende Deiner Großmutter beſchrieben, nicht
ahnend, was die Sterbende dabei empfunden. Ach
Anton, ich zitt’re, Sie wiederzufinden, die uns Bei-
den Mutter geweſen. Wird ſie ihr undankbares,
treuloſes Kind nicht anklagen als ihre Moͤrderin vor
Gottes Thron?

Was haͤtt’ ich nun weiter noch von mir zu ſagen;
daß ich mich feſter an Carino ſchloß denn jemals,
weil die erneuerte Mahnung an Mutter und Sohn,
welche beide mein Frevel mir geraubt, mich das Be-
duͤrfniß, einem Weſen auf Erden anzugehoͤren,
furchtbar ernſt empfinden ließ. Er war zu gut-
muͤthig, mich von ſich zu ſtoßen; mich deutlich mer-
ken zu laſſen, daß ich ihm eine Laſt ſei; doch konnt’
ich es ahnen. Meine geprieſene Schoͤnheit ſchwand
mit der Jugend; meine Stimme nahm ab; nur hoͤch-
ſtes Aufgebot der Kunſtfertigkeit hielt mich noch.
Jtaliens große Staͤdte, die mich in meiner Bluͤthe
bewundert, hatten kaum noch Nachſicht fuͤr die
alternde Kuͤnſtlerin; ich errang mir mit Noth und
Muͤhe hier und da, was man einen succés d’estime
nennt. Carino ſchlug vor, man moͤge es mit Paris
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Jch fand unzaͤhlige Schwierigkeiten und Kabalen, die

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[266/0270] das ſelige Ende Deiner Großmutter beſchrieben, nicht ahnend, was die Sterbende dabei empfunden. Ach Anton, ich zitt’re, Sie wiederzufinden, die uns Bei- den Mutter geweſen. Wird ſie ihr undankbares, treuloſes Kind nicht anklagen als ihre Moͤrderin vor Gottes Thron? Was haͤtt’ ich nun weiter noch von mir zu ſagen; daß ich mich feſter an Carino ſchloß denn jemals, weil die erneuerte Mahnung an Mutter und Sohn, welche beide mein Frevel mir geraubt, mich das Be- duͤrfniß, einem Weſen auf Erden anzugehoͤren, furchtbar ernſt empfinden ließ. Er war zu gut- muͤthig, mich von ſich zu ſtoßen; mich deutlich mer- ken zu laſſen, daß ich ihm eine Laſt ſei; doch konnt’ ich es ahnen. Meine geprieſene Schoͤnheit ſchwand mit der Jugend; meine Stimme nahm ab; nur hoͤch- ſtes Aufgebot der Kunſtfertigkeit hielt mich noch. Jtaliens große Staͤdte, die mich in meiner Bluͤthe bewundert, hatten kaum noch Nachſicht fuͤr die alternde Kuͤnſtlerin; ich errang mir mit Noth und Muͤhe hier und da, was man einen succés d’estime nennt. Carino ſchlug vor, man moͤge es mit Paris verſuchen, wo er als Virtuoſe zu glaͤnzen waͤhnte. Jch fand unzaͤhlige Schwierigkeiten und Kabalen, die

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/270>, abgerufen am 27.11.2024.