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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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Pastorin, nachdem sie es erst gelesen und ich es her-
nach versiegelt, zur Besorgung an den Grafen Guido
von Erlenstein.

Wollen Sie sich umbringen? fragte mich, bleich
vor Schreck und Angst, die zitternde Frau.

Jch will weder in einen Fluß springen, entgeg-
nete ich ihr, noch ein Messer in meine Brust bohren,
noch dies Tüchlein um meinen Hals schnüren, noch
sonst gewaltsam meinem erbärmlichen Leben ein Ende
machen; das darf ich Jhnen geloben. Nicht weil mir
die Lust dazu fehlt, -- nein, nur der Muth. Aber
ich will weiter ziehen und mich sterben lassen, -- sei's
wo es sei. Fragen Sie nicht, wohin ich mich wende!
Jch weiß es nicht. Die Erde ist groß und überall,
wo ein Sterblicher endet, findet sich ein Grab. Gott
segne Sie -- und Er segne -- Julien!

Die Pastorin küßte mich auf die Stirn und ich
verließ ihr Haus.



Jch bin bis hierher sehr ausführlich gewesen in mei-
nen Bekenntnissen. Theils weil ich Dir deutlich darstel-
len wollte, mein theurer Anton, wie es geschah, daß
der Entschluß, für todt zu gelten, so feste Wurzel in
mir fassen konnte; theils weil ich Dich hinweisen

Paſtorin, nachdem ſie es erſt geleſen und ich es her-
nach verſiegelt, zur Beſorgung an den Grafen Guido
von Erlenſtein.

Wollen Sie ſich umbringen? fragte mich, bleich
vor Schreck und Angſt, die zitternde Frau.

Jch will weder in einen Fluß ſpringen, entgeg-
nete ich ihr, noch ein Meſſer in meine Bruſt bohren,
noch dies Tuͤchlein um meinen Hals ſchnuͤren, noch
ſonſt gewaltſam meinem erbaͤrmlichen Leben ein Ende
machen; das darf ich Jhnen geloben. Nicht weil mir
die Luſt dazu fehlt, — nein, nur der Muth. Aber
ich will weiter ziehen und mich ſterben laſſen, — ſei’s
wo es ſei. Fragen Sie nicht, wohin ich mich wende!
Jch weiß es nicht. Die Erde iſt groß und uͤberall,
wo ein Sterblicher endet, findet ſich ein Grab. Gott
ſegne Sie — und Er ſegne — Julien!

Die Paſtorin kuͤßte mich auf die Stirn und ich
verließ ihr Haus.



Jch bin bis hierher ſehr ausfuͤhrlich geweſen in mei-
nen Bekenntniſſen. Theils weil ich Dir deutlich darſtel-
len wollte, mein theurer Anton, wie es geſchah, daß
der Entſchluß, fuͤr todt zu gelten, ſo feſte Wurzel in
mir faſſen konnte; theils weil ich Dich hinweiſen

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[247/0251] Paſtorin, nachdem ſie es erſt geleſen und ich es her- nach verſiegelt, zur Beſorgung an den Grafen Guido von Erlenſtein. Wollen Sie ſich umbringen? fragte mich, bleich vor Schreck und Angſt, die zitternde Frau. Jch will weder in einen Fluß ſpringen, entgeg- nete ich ihr, noch ein Meſſer in meine Bruſt bohren, noch dies Tuͤchlein um meinen Hals ſchnuͤren, noch ſonſt gewaltſam meinem erbaͤrmlichen Leben ein Ende machen; das darf ich Jhnen geloben. Nicht weil mir die Luſt dazu fehlt, — nein, nur der Muth. Aber ich will weiter ziehen und mich ſterben laſſen, — ſei’s wo es ſei. Fragen Sie nicht, wohin ich mich wende! Jch weiß es nicht. Die Erde iſt groß und uͤberall, wo ein Sterblicher endet, findet ſich ein Grab. Gott ſegne Sie — und Er ſegne — Julien! Die Paſtorin kuͤßte mich auf die Stirn und ich verließ ihr Haus. Jch bin bis hierher ſehr ausfuͤhrlich geweſen in mei- nen Bekenntniſſen. Theils weil ich Dir deutlich darſtel- len wollte, mein theurer Anton, wie es geſchah, daß der Entſchluß, fuͤr todt zu gelten, ſo feſte Wurzel in mir faſſen konnte; theils weil ich Dich hinweiſen

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/251>, abgerufen am 27.11.2024.