Sobald ich erst wußte, daß ich nicht geliebt sei, fand ich mich selbst wieder. Jch war, für den Moment wenigstens, vollkommen ruhig. Hätten Sie, Herr Graf, sagte ich, sich die Mühe geben wollen, mir dies Bekenntniß schriftlich abzulegen, so würden Sie mir einen beschwerlichen Weg, Jhrer Excellenz eine schlimme Stunde und sich selbst eine große Beschä- mung erspart haben. Jch kam durch Sturm, Regen- ströme und Nacht hierher, weil ich wähnte, Jhr Herz gehöre mir und es werde Jhrem Herzen wohlthun, die Geliebte wider kränkenden Argwohn gerechtfertigt zu erblicken. Da Sie mein Ankläger waren -- gegen wen möcht' ich mich jetzt noch rechtfertigen? Sie wol- len mich los sein? Jhr Wunsch ist erfüllt. Da Sie mich nicht lieben, sind Sie frei! Jch wende Jhnen auf ewig den Rücken, und verflucht sei ......
Hier fuhr die alte Gräfin schreiend von ihrem Sessel auf. Sie gedachte meiner vor wenig Minuten vernommenen Erzählung, wie mein Fluch an den Bildhauerleuten in Erfüllung gegangen.
Mit gefalteten Händen beschwur sie mich, inne zu halten.
Jch sagte zu ihr: fürchten Sie nichts, Frau Grä-
So ſprach Dein Vater.
Sobald ich erſt wußte, daß ich nicht geliebt ſei, fand ich mich ſelbſt wieder. Jch war, fuͤr den Moment wenigſtens, vollkommen ruhig. Haͤtten Sie, Herr Graf, ſagte ich, ſich die Muͤhe geben wollen, mir dies Bekenntniß ſchriftlich abzulegen, ſo wuͤrden Sie mir einen beſchwerlichen Weg, Jhrer Excellenz eine ſchlimme Stunde und ſich ſelbſt eine große Beſchaͤ- mung erſpart haben. Jch kam durch Sturm, Regen- ſtroͤme und Nacht hierher, weil ich waͤhnte, Jhr Herz gehoͤre mir und es werde Jhrem Herzen wohlthun, die Geliebte wider kraͤnkenden Argwohn gerechtfertigt zu erblicken. Da Sie mein Anklaͤger waren — gegen wen moͤcht’ ich mich jetzt noch rechtfertigen? Sie wol- len mich los ſein? Jhr Wunſch iſt erfuͤllt. Da Sie mich nicht lieben, ſind Sie frei! Jch wende Jhnen auf ewig den Ruͤcken, und verflucht ſei ......
Hier fuhr die alte Graͤfin ſchreiend von ihrem Seſſel auf. Sie gedachte meiner vor wenig Minuten vernommenen Erzaͤhlung, wie mein Fluch an den Bildhauerleuten in Erfuͤllung gegangen.
Mit gefalteten Haͤnden beſchwur ſie mich, inne zu halten.
Jch ſagte zu ihr: fuͤrchten Sie nichts, Frau Graͤ-
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So ſprach Dein Vater.
Sobald ich erſt wußte, daß ich nicht geliebt ſei,
fand ich mich ſelbſt wieder. Jch war, fuͤr den Moment
wenigſtens, vollkommen ruhig. Haͤtten Sie, Herr
Graf, ſagte ich, ſich die Muͤhe geben wollen, mir dies
Bekenntniß ſchriftlich abzulegen, ſo wuͤrden Sie mir
einen beſchwerlichen Weg, Jhrer Excellenz eine
ſchlimme Stunde und ſich ſelbſt eine große Beſchaͤ-
mung erſpart haben. Jch kam durch Sturm, Regen-
ſtroͤme und Nacht hierher, weil ich waͤhnte, Jhr Herz
gehoͤre mir und es werde Jhrem Herzen wohlthun,
die Geliebte wider kraͤnkenden Argwohn gerechtfertigt
zu erblicken. Da Sie mein Anklaͤger waren — gegen
wen moͤcht’ ich mich jetzt noch rechtfertigen? Sie wol-
len mich los ſein? Jhr Wunſch iſt erfuͤllt. Da Sie
mich nicht lieben, ſind Sie frei! Jch wende Jhnen
auf ewig den Ruͤcken, und verflucht ſei ......
Hier fuhr die alte Graͤfin ſchreiend von ihrem
Seſſel auf. Sie gedachte meiner vor wenig Minuten
vernommenen Erzaͤhlung, wie mein Fluch an den
Bildhauerleuten in Erfuͤllung gegangen.
Mit gefalteten Haͤnden beſchwur ſie mich, inne zu
halten.
Jch ſagte zu ihr: fuͤrchten Sie nichts, Frau Graͤ-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/238>, abgerufen am 26.07.2024.
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