Der Haushofmeister zog eine Glocke, ein Diener trat ein.
Die Gräfin befahl, ihren Sohn aus seinen Gemächern herab zu rufen.
Während wir ihn erwarteten, ging sie mit ver- schränkten Armen raschen Schrittes in dem großen Gemache auf und ab.
... Jch sollte ihn sehen! ...
Wie ich seine Sporen klirren hörte, fing ich an zu zittern, ich meinte, ich müsse umsinken. Der Haus- hofmeister wollte mich stützen, doch die Gräfin wies ihn von mir, faßte meinen Arm, führte mich dem Ein- gange zu, und als Dein Vater eintrat, rief sie ihm entgegen: "Guido, wer hat mich betrogen, Du, oder dieses Mädchen?"
Dein Vater, mich an seiner Mutter Seite erblickend, schien einen Augenblick zweifeln zu wollen, ob Wirklichkeit sei, was er sah. Doch die Gräfin wiederholte ihre Frage, noch eindringlicher und dro- hender, wie zuvor:
"Jch will wissen, wer gelogen? Sie oder Du?"
Jch, meine Mutter, erwiederte Dein Vater mit niedergeschlagenen Augen.
"Dann hab' ich für's Erste nicht mitzusprechen,
Der Haushofmeiſter zog eine Glocke, ein Diener trat ein.
Die Graͤfin befahl, ihren Sohn aus ſeinen Gemaͤchern herab zu rufen.
Waͤhrend wir ihn erwarteten, ging ſie mit ver- ſchraͤnkten Armen raſchen Schrittes in dem großen Gemache auf und ab.
... Jch ſollte ihn ſehen! ...
Wie ich ſeine Sporen klirren hoͤrte, fing ich an zu zittern, ich meinte, ich muͤſſe umſinken. Der Haus- hofmeiſter wollte mich ſtuͤtzen, doch die Graͤfin wies ihn von mir, faßte meinen Arm, fuͤhrte mich dem Ein- gange zu, und als Dein Vater eintrat, rief ſie ihm entgegen: „Guido, wer hat mich betrogen, Du, oder dieſes Maͤdchen?“
Dein Vater, mich an ſeiner Mutter Seite erblickend, ſchien einen Augenblick zweifeln zu wollen, ob Wirklichkeit ſei, was er ſah. Doch die Graͤfin wiederholte ihre Frage, noch eindringlicher und dro- hender, wie zuvor:
„Jch will wiſſen, wer gelogen? Sie oder Du?“
Jch, meine Mutter, erwiederte Dein Vater mit niedergeſchlagenen Augen.
„Dann hab’ ich fuͤr’s Erſte nicht mitzuſprechen,
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Der Haushofmeiſter zog eine Glocke, ein Diener
trat ein.
Die Graͤfin befahl, ihren Sohn aus ſeinen
Gemaͤchern herab zu rufen.
Waͤhrend wir ihn erwarteten, ging ſie mit ver-
ſchraͤnkten Armen raſchen Schrittes in dem großen
Gemache auf und ab.
... Jch ſollte ihn ſehen! ...
Wie ich ſeine Sporen klirren hoͤrte, fing ich an zu
zittern, ich meinte, ich muͤſſe umſinken. Der Haus-
hofmeiſter wollte mich ſtuͤtzen, doch die Graͤfin wies
ihn von mir, faßte meinen Arm, fuͤhrte mich dem Ein-
gange zu, und als Dein Vater eintrat, rief ſie ihm
entgegen: „Guido, wer hat mich betrogen, Du, oder
dieſes Maͤdchen?“
Dein Vater, mich an ſeiner Mutter Seite
erblickend, ſchien einen Augenblick zweifeln zu wollen,
ob Wirklichkeit ſei, was er ſah. Doch die Graͤfin
wiederholte ihre Frage, noch eindringlicher und dro-
hender, wie zuvor:
„Jch will wiſſen, wer gelogen? Sie oder Du?“
Jch, meine Mutter, erwiederte Dein Vater mit
niedergeſchlagenen Augen.
„Dann hab’ ich fuͤr’s Erſte nicht mitzuſprechen,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/235>, abgerufen am 26.07.2024.
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