der Bilderhändler, der Heilige und Rosenkränze ver- kaufte, erzählte mir, wie das Bildhauer-Häuschen von Fluthen und Eisschollen zerstört worden sei; wie die Bewohner umgekommen wären und sammt ihnen, die Tochter des ehemaligen lutherischen Kantors, die solche Strafe des Herrn für ihre Ketzerei auf die unschuldigen Bildhauerleute herabgerufen.
Du kannst denken, was Deine Mutter dabei empfand.
Nachdem der arme Gerber Karich einige Meilen mit mir gegangen war, übergab er mich der Fürsorge eines hausirenden Glasers, der von Ort zu Ort zog, um zerbrochene Fensterscheiben herzustellen, den er als ehrlichen Mann kannte und den sein Weg in die Nähe des Schlosses führte. Neben diesem wandelte ich, voll Dank im Herzen für den ehrlichen Karich, schweigend und ernst dahin. Er keuchte unter der Last seines schweren Kastens mit Glasplatten; mich bedrückte die Last, die auf meiner Seele lag. Gegen Abend wies der Glaser mit seinem Stabe in einen langen offenen Waldweg, der aus dem dunklen Grün der Nadelhölzer in's Freie führte und sprach: dort liegt das Schloß! Man sah Lichter aus der Ferne herüberschimmern. Er ging gerade aus, -- ich bog
der Bilderhaͤndler, der Heilige und Roſenkraͤnze ver- kaufte, erzaͤhlte mir, wie das Bildhauer-Haͤuschen von Fluthen und Eisſchollen zerſtoͤrt worden ſei; wie die Bewohner umgekommen waͤren und ſammt ihnen, die Tochter des ehemaligen lutheriſchen Kantors, die ſolche Strafe des Herrn fuͤr ihre Ketzerei auf die unſchuldigen Bildhauerleute herabgerufen.
Du kannſt denken, was Deine Mutter dabei empfand.
Nachdem der arme Gerber Karich einige Meilen mit mir gegangen war, uͤbergab er mich der Fuͤrſorge eines hauſirenden Glaſers, der von Ort zu Ort zog, um zerbrochene Fenſterſcheiben herzuſtellen, den er als ehrlichen Mann kannte und den ſein Weg in die Naͤhe des Schloſſes fuͤhrte. Neben dieſem wandelte ich, voll Dank im Herzen fuͤr den ehrlichen Karich, ſchweigend und ernſt dahin. Er keuchte unter der Laſt ſeines ſchweren Kaſtens mit Glasplatten; mich bedruͤckte die Laſt, die auf meiner Seele lag. Gegen Abend wies der Glaſer mit ſeinem Stabe in einen langen offenen Waldweg, der aus dem dunklen Gruͤn der Nadelhoͤlzer in’s Freie fuͤhrte und ſprach: dort liegt das Schloß! Man ſah Lichter aus der Ferne heruͤberſchimmern. Er ging gerade aus, — ich bog
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0228"n="224"/>
der Bilderhaͤndler, der Heilige und Roſenkraͤnze ver-<lb/>
kaufte, erzaͤhlte mir, wie das Bildhauer-Haͤuschen<lb/>
von Fluthen und Eisſchollen zerſtoͤrt worden ſei; wie<lb/>
die Bewohner umgekommen waͤren und ſammt ihnen,<lb/>
die Tochter des ehemaligen lutheriſchen Kantors, die<lb/>ſolche Strafe des Herrn fuͤr ihre Ketzerei auf die<lb/>
unſchuldigen Bildhauerleute herabgerufen.</p><lb/><p>Du kannſt denken, was Deine Mutter dabei<lb/>
empfand.</p><lb/><p>Nachdem der arme Gerber Karich einige Meilen<lb/>
mit mir gegangen war, uͤbergab er mich der Fuͤrſorge<lb/>
eines hauſirenden Glaſers, der von Ort zu Ort zog,<lb/>
um zerbrochene Fenſterſcheiben herzuſtellen, den er<lb/>
als ehrlichen Mann kannte und den ſein Weg in die<lb/>
Naͤhe des Schloſſes fuͤhrte. Neben dieſem wandelte<lb/>
ich, voll Dank im Herzen fuͤr den ehrlichen Karich,<lb/>ſchweigend und ernſt dahin. Er keuchte unter der<lb/>
Laſt ſeines ſchweren Kaſtens mit Glasplatten; mich<lb/>
bedruͤckte die Laſt, die auf meiner Seele lag. Gegen<lb/>
Abend wies der Glaſer mit ſeinem Stabe in einen<lb/>
langen offenen Waldweg, der aus dem dunklen Gruͤn<lb/>
der Nadelhoͤlzer in’s Freie fuͤhrte und ſprach: dort<lb/>
liegt das Schloß! Man ſah Lichter aus der Ferne<lb/>
heruͤberſchimmern. Er ging gerade aus, — ich bog<lb/></p></div></body></text></TEI>
[224/0228]
der Bilderhaͤndler, der Heilige und Roſenkraͤnze ver-
kaufte, erzaͤhlte mir, wie das Bildhauer-Haͤuschen
von Fluthen und Eisſchollen zerſtoͤrt worden ſei; wie
die Bewohner umgekommen waͤren und ſammt ihnen,
die Tochter des ehemaligen lutheriſchen Kantors, die
ſolche Strafe des Herrn fuͤr ihre Ketzerei auf die
unſchuldigen Bildhauerleute herabgerufen.
Du kannſt denken, was Deine Mutter dabei
empfand.
Nachdem der arme Gerber Karich einige Meilen
mit mir gegangen war, uͤbergab er mich der Fuͤrſorge
eines hauſirenden Glaſers, der von Ort zu Ort zog,
um zerbrochene Fenſterſcheiben herzuſtellen, den er
als ehrlichen Mann kannte und den ſein Weg in die
Naͤhe des Schloſſes fuͤhrte. Neben dieſem wandelte
ich, voll Dank im Herzen fuͤr den ehrlichen Karich,
ſchweigend und ernſt dahin. Er keuchte unter der
Laſt ſeines ſchweren Kaſtens mit Glasplatten; mich
bedruͤckte die Laſt, die auf meiner Seele lag. Gegen
Abend wies der Glaſer mit ſeinem Stabe in einen
langen offenen Waldweg, der aus dem dunklen Gruͤn
der Nadelhoͤlzer in’s Freie fuͤhrte und ſprach: dort
liegt das Schloß! Man ſah Lichter aus der Ferne
heruͤberſchimmern. Er ging gerade aus, — ich bog
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/228>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.