Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.Jammertone meiner Verzweiflung: Seid verflucht, Sonach taumelte ich hinaus, stieg die steile Ufer- Jammertone meiner Verzweiflung: Seid verflucht, Sonach taumelte ich hinaus, ſtieg die ſteile Ufer- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0223" n="219"/> Jammertone meiner Verzweiflung: Seid verflucht,<lb/> vor Gott und Menſchen, Jhr ſchlechtes Volk!</p><lb/> <p>Sonach taumelte ich hinaus, ſtieg die ſteile Ufer-<lb/> treppe empor und wie ich auf der Bruͤcke angelangt<lb/> war und vernahm das Rauſchen der ſteigenden Fluth,<lb/> hoͤrte die Wogen anſchlagen gegen die ſteinernen Pfei-<lb/> ler, und rings umher herrſchte tiefe Nacht, ſo uͤber-<lb/> fiel mich eine rechte Sehnſucht, Ende zu machen mit<lb/> dieſem Leben voll Kummer und Schmach. Dich,<lb/> mein Anton, wußt ich geborgen, in den Haͤnden Dei-<lb/> ner Großmutter. Und die Wellen, je hoͤher ſie an-<lb/> ſchwollen und ſtiegen, deſto lauter ſchienen ſie mir<lb/> zuzurufen: finde Ruhe in unſerem Schoos! Nur die<lb/> großen Eisſchollen, die krachend an wankenden Holz-<lb/> boͤcken ſich brachen, entſetzten mich, daß ich nicht gleich<lb/> zu ſpringen wagte. Man hoͤrte nichts als das Brau-<lb/> ſen des Fluſſes, das Rauſchen des Regens, der in<lb/> Stroͤmen goß. Kein menſchliches Weſen ließ in den<lb/> oͤden Gaſſen ſich ſpuͤren; in den Haͤuſern verloͤſchten<lb/> Feuer und Lichter; außer wo ſie tiefer unten am Ufer<lb/> wohnten, hielten ſich Leute wach, aus Beſorgniß<lb/> wegen der Fluth. Nur da, wo ſie es am noͤthigſten<lb/> gehabt haͤtten, auf der Wache zu ſein, weil ſie am<lb/> tiefſten gelegen waren, bei’m Bildhauer machten ſie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [219/0223]
Jammertone meiner Verzweiflung: Seid verflucht,
vor Gott und Menſchen, Jhr ſchlechtes Volk!
Sonach taumelte ich hinaus, ſtieg die ſteile Ufer-
treppe empor und wie ich auf der Bruͤcke angelangt
war und vernahm das Rauſchen der ſteigenden Fluth,
hoͤrte die Wogen anſchlagen gegen die ſteinernen Pfei-
ler, und rings umher herrſchte tiefe Nacht, ſo uͤber-
fiel mich eine rechte Sehnſucht, Ende zu machen mit
dieſem Leben voll Kummer und Schmach. Dich,
mein Anton, wußt ich geborgen, in den Haͤnden Dei-
ner Großmutter. Und die Wellen, je hoͤher ſie an-
ſchwollen und ſtiegen, deſto lauter ſchienen ſie mir
zuzurufen: finde Ruhe in unſerem Schoos! Nur die
großen Eisſchollen, die krachend an wankenden Holz-
boͤcken ſich brachen, entſetzten mich, daß ich nicht gleich
zu ſpringen wagte. Man hoͤrte nichts als das Brau-
ſen des Fluſſes, das Rauſchen des Regens, der in
Stroͤmen goß. Kein menſchliches Weſen ließ in den
oͤden Gaſſen ſich ſpuͤren; in den Haͤuſern verloͤſchten
Feuer und Lichter; außer wo ſie tiefer unten am Ufer
wohnten, hielten ſich Leute wach, aus Beſorgniß
wegen der Fluth. Nur da, wo ſie es am noͤthigſten
gehabt haͤtten, auf der Wache zu ſein, weil ſie am
tiefſten gelegen waren, bei’m Bildhauer machten ſie
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