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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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den Vaters dahinschlichen, mit Anton's Bilde aus-
zufüllen. Nun war er selbst gekommen, und Alles
war gekommen, wie wir's gelesen haben; -- dürfen
wir uns wundern, wenn wir den vierundzwanzigjäh-
rigen Lehrer zu den Füßen seiner sechszehnjährigen
Schülerin knieend finden, ihr gestehend, daß er durch
sie erst wahre Liebe kennen lernte; daß er nur sie im
Herzen trage, seitdem er sie gesehen; daß er ohne sie
nicht weiter leben wolle; und wie denn all' jene stets
wiederkehrende Versicherungen lauten, die der Dumme
dumm, der Kluge manchmal noch dümmer, der Lie-
benswürdige mit Anmuth, der Plumpe tölpelhaft,
der Gute ehrlich, der Hinterlistige schlau, jeder auf
seine Weise vorbringt, ohne daß ein besonderer Unter-
schied bei Einem oder dem Andern zu bemerken wäre.

Der erste Kniefall wurde mit gebührendem
Entsetzen ab- und zurückgewiesen. Eine stumme
Gebehrde deutete mit beredeter Drohung nach des
Vaters Krankenzimmer und legte dem Sprachlusti-
gen Schweigen auf. Man trennte sich kalt, ver-
stimmt.

Der zweite Kniefall war von stummen Hand-
küssen begleitet. Er brachte schon nicht mehr die
abschreckende Wirkung von gestern hervor.

Die Vagabunden. III. 14

den Vaters dahinſchlichen, mit Anton’s Bilde aus-
zufuͤllen. Nun war er ſelbſt gekommen, und Alles
war gekommen, wie wir’s geleſen haben; — duͤrfen
wir uns wundern, wenn wir den vierundzwanzigjaͤh-
rigen Lehrer zu den Fuͤßen ſeiner ſechszehnjaͤhrigen
Schuͤlerin knieend finden, ihr geſtehend, daß er durch
ſie erſt wahre Liebe kennen lernte; daß er nur ſie im
Herzen trage, ſeitdem er ſie geſehen; daß er ohne ſie
nicht weiter leben wolle; und wie denn all’ jene ſtets
wiederkehrende Verſicherungen lauten, die der Dumme
dumm, der Kluge manchmal noch duͤmmer, der Lie-
benswuͤrdige mit Anmuth, der Plumpe toͤlpelhaft,
der Gute ehrlich, der Hinterliſtige ſchlau, jeder auf
ſeine Weiſe vorbringt, ohne daß ein beſonderer Unter-
ſchied bei Einem oder dem Andern zu bemerken waͤre.

Der erſte Kniefall wurde mit gebuͤhrendem
Entſetzen ab- und zuruͤckgewieſen. Eine ſtumme
Gebehrde deutete mit beredeter Drohung nach des
Vaters Krankenzimmer und legte dem Sprachluſti-
gen Schweigen auf. Man trennte ſich kalt, ver-
ſtimmt.

Der zweite Kniefall war von ſtummen Hand-
kuͤſſen begleitet. Er brachte ſchon nicht mehr die
abſchreckende Wirkung von geſtern hervor.

Die Vagabunden. III. 14
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[209/0213] den Vaters dahinſchlichen, mit Anton’s Bilde aus- zufuͤllen. Nun war er ſelbſt gekommen, und Alles war gekommen, wie wir’s geleſen haben; — duͤrfen wir uns wundern, wenn wir den vierundzwanzigjaͤh- rigen Lehrer zu den Fuͤßen ſeiner ſechszehnjaͤhrigen Schuͤlerin knieend finden, ihr geſtehend, daß er durch ſie erſt wahre Liebe kennen lernte; daß er nur ſie im Herzen trage, ſeitdem er ſie geſehen; daß er ohne ſie nicht weiter leben wolle; und wie denn all’ jene ſtets wiederkehrende Verſicherungen lauten, die der Dumme dumm, der Kluge manchmal noch duͤmmer, der Lie- benswuͤrdige mit Anmuth, der Plumpe toͤlpelhaft, der Gute ehrlich, der Hinterliſtige ſchlau, jeder auf ſeine Weiſe vorbringt, ohne daß ein beſonderer Unter- ſchied bei Einem oder dem Andern zu bemerken waͤre. Der erſte Kniefall wurde mit gebuͤhrendem Entſetzen ab- und zuruͤckgewieſen. Eine ſtumme Gebehrde deutete mit beredeter Drohung nach des Vaters Krankenzimmer und legte dem Sprachluſti- gen Schweigen auf. Man trennte ſich kalt, ver- ſtimmt. Der zweite Kniefall war von ſtummen Hand- kuͤſſen begleitet. Er brachte ſchon nicht mehr die abſchreckende Wirkung von geſtern hervor. Die Vagabunden. III. 14

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/213>, abgerufen am 25.11.2024.