worauf der gute Herr sonst wohl nicht gerathen sein würde.
Wäre sie nun dem neuen Sprachlehrer wie einem alten Bekannten entgegengetreten; hätte sie unbefan- gen ausgerufen: "ei, monsieur Antoine, finden wir uns hier wieder?" dann dürfte er, des heimlich empfangenen Uhrbandes nur wie einer mädchenhaft- kindischen Gabe gedacht und keine ferneren Folgerun- gen daran geknüpft haben. Weil sie ihn aber wie einen Fremden empfing, durfte Anton sich zugestehen, daß er ihrem Herzen kein Fremder geblieben sei. Sie berechtigte ihn, ein Geheimniß mit ihr vor ihrem Vater zu hegen; sie liebte ihn!!
Welch' ein reizendes Leben nun für unseren Hel- den begann, das wag' ich nicht beschreiben zu wollen. Man müßte jung sein und all' der süßen Thorheiten noch fähig, die da getrieben wurden. Der Rittmei- ster in seinem Lehnstuhl, mehr liegend als sitzend, gab sich bei'm Beginn jeder Sprechstunde das An- seh'n eines aufmerksamen Zuhörers; eines Kritikers nicht allein, auch eines Censor's, der prüfen wollte, was für Gegenstände die jungen Leute mit einander abhandelten? Diese, so lange er die Augen offen hielt, trugen bestens und schlau genug -- (denn auch das
worauf der gute Herr ſonſt wohl nicht gerathen ſein wuͤrde.
Waͤre ſie nun dem neuen Sprachlehrer wie einem alten Bekannten entgegengetreten; haͤtte ſie unbefan- gen ausgerufen: „ei, monsieur Antoine, finden wir uns hier wieder?“ dann duͤrfte er, des heimlich empfangenen Uhrbandes nur wie einer maͤdchenhaft- kindiſchen Gabe gedacht und keine ferneren Folgerun- gen daran geknuͤpft haben. Weil ſie ihn aber wie einen Fremden empfing, durfte Anton ſich zugeſtehen, daß er ihrem Herzen kein Fremder geblieben ſei. Sie berechtigte ihn, ein Geheimniß mit ihr vor ihrem Vater zu hegen; ſie liebte ihn!!
Welch’ ein reizendes Leben nun fuͤr unſeren Hel- den begann, das wag’ ich nicht beſchreiben zu wollen. Man muͤßte jung ſein und all’ der ſuͤßen Thorheiten noch faͤhig, die da getrieben wurden. Der Rittmei- ſter in ſeinem Lehnſtuhl, mehr liegend als ſitzend, gab ſich bei’m Beginn jeder Sprechſtunde das An- ſeh’n eines aufmerkſamen Zuhoͤrers; eines Kritikers nicht allein, auch eines Cenſor’s, der pruͤfen wollte, was fuͤr Gegenſtaͤnde die jungen Leute mit einander abhandelten? Dieſe, ſo lange er die Augen offen hielt, trugen beſtens und ſchlau genug — (denn auch das
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worauf der gute Herr ſonſt wohl nicht gerathen ſein
wuͤrde.
Waͤre ſie nun dem neuen Sprachlehrer wie einem
alten Bekannten entgegengetreten; haͤtte ſie unbefan-
gen ausgerufen: „ei, monsieur Antoine, finden
wir uns hier wieder?“ dann duͤrfte er, des heimlich
empfangenen Uhrbandes nur wie einer maͤdchenhaft-
kindiſchen Gabe gedacht und keine ferneren Folgerun-
gen daran geknuͤpft haben. Weil ſie ihn aber wie
einen Fremden empfing, durfte Anton ſich zugeſtehen,
daß er ihrem Herzen kein Fremder geblieben ſei. Sie
berechtigte ihn, ein Geheimniß mit ihr vor ihrem
Vater zu hegen; ſie liebte ihn!!
Welch’ ein reizendes Leben nun fuͤr unſeren Hel-
den begann, das wag’ ich nicht beſchreiben zu wollen.
Man muͤßte jung ſein und all’ der ſuͤßen Thorheiten
noch faͤhig, die da getrieben wurden. Der Rittmei-
ſter in ſeinem Lehnſtuhl, mehr liegend als ſitzend,
gab ſich bei’m Beginn jeder Sprechſtunde das An-
ſeh’n eines aufmerkſamen Zuhoͤrers; eines Kritikers
nicht allein, auch eines Cenſor’s, der pruͤfen wollte,
was fuͤr Gegenſtaͤnde die jungen Leute mit einander
abhandelten? Dieſe, ſo lange er die Augen offen hielt,
trugen beſtens und ſchlau genug — (denn auch das
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/207>, abgerufen am 26.07.2024.
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