außer Stande sei, ferner dergleichen zu versuchen; daß sie darnieder liegen und daß für's Erste jede Hoffnung aufgegeben werden müsse, die Puppen-Darstellungen fortzusetzen. Anton ging, die für diesen Tag schon fertigen Zettel aus der Druckerei zurückzuholen. Dann rüstete er sich zu dem Besuche, den er gestern Abend zugesagt; -- Herr Dreher begab sich in's Bierhaus, um seinen Kummer zu ertränken. Die kranke Frau blieb allein mit einer Magd.
Der sogenannte Hauptmann, eigentlich ein Ritt- meister, erwartete schon gestiefelt und gespornt Antons Ankunft und ging ihm, so rüstig als die zusammen- geschossenen und gehauenen Gliedmaßen gestatten wollten, entgegen. Ohne lange Vorrede kam er auf den Zweck dieses Gespräches: "Sehen Sie, mein Lieber, ich bin als Rittmeister verabschiedet, stehe jedoch auf halben Lieutenants-Sold, denn weiter hat mich's der Feind nicht bringen lassen; und daß ich als solcher kein Vermögen zurückgelegt habe, werden Sie begreifen. Nun hab' ich ein einziges Kind, eine Tochter, dieselbe, die mich gestern Abend begleitete; die ist so arm, wie ihr Vater, und wenn ich sterbe, ist sie noch ärmer. Da sind wir denn einig geworden, sie und ich, sie soll versuchen, eine vortheilhafte Stelle
außer Stande ſei, ferner dergleichen zu verſuchen; daß ſie darnieder liegen und daß fuͤr’s Erſte jede Hoffnung aufgegeben werden muͤſſe, die Puppen-Darſtellungen fortzuſetzen. Anton ging, die fuͤr dieſen Tag ſchon fertigen Zettel aus der Druckerei zuruͤckzuholen. Dann ruͤſtete er ſich zu dem Beſuche, den er geſtern Abend zugeſagt; — Herr Dreher begab ſich in’s Bierhaus, um ſeinen Kummer zu ertraͤnken. Die kranke Frau blieb allein mit einer Magd.
Der ſogenannte Hauptmann, eigentlich ein Ritt- meiſter, erwartete ſchon geſtiefelt und geſpornt Antons Ankunft und ging ihm, ſo ruͤſtig als die zuſammen- geſchoſſenen und gehauenen Gliedmaßen geſtatten wollten, entgegen. Ohne lange Vorrede kam er auf den Zweck dieſes Geſpraͤches: „Sehen Sie, mein Lieber, ich bin als Rittmeiſter verabſchiedet, ſtehe jedoch auf halben Lieutenants-Sold, denn weiter hat mich’s der Feind nicht bringen laſſen; und daß ich als ſolcher kein Vermoͤgen zuruͤckgelegt habe, werden Sie begreifen. Nun hab’ ich ein einziges Kind, eine Tochter, dieſelbe, die mich geſtern Abend begleitete; die iſt ſo arm, wie ihr Vater, und wenn ich ſterbe, iſt ſie noch aͤrmer. Da ſind wir denn einig geworden, ſie und ich, ſie ſoll verſuchen, eine vortheilhafte Stelle
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[199/0203]
außer Stande ſei, ferner dergleichen zu verſuchen; daß
ſie darnieder liegen und daß fuͤr’s Erſte jede Hoffnung
aufgegeben werden muͤſſe, die Puppen-Darſtellungen
fortzuſetzen. Anton ging, die fuͤr dieſen Tag ſchon
fertigen Zettel aus der Druckerei zuruͤckzuholen. Dann
ruͤſtete er ſich zu dem Beſuche, den er geſtern Abend
zugeſagt; — Herr Dreher begab ſich in’s Bierhaus,
um ſeinen Kummer zu ertraͤnken. Die kranke Frau
blieb allein mit einer Magd.
Der ſogenannte Hauptmann, eigentlich ein Ritt-
meiſter, erwartete ſchon geſtiefelt und geſpornt Antons
Ankunft und ging ihm, ſo ruͤſtig als die zuſammen-
geſchoſſenen und gehauenen Gliedmaßen geſtatten
wollten, entgegen. Ohne lange Vorrede kam er auf
den Zweck dieſes Geſpraͤches: „Sehen Sie, mein
Lieber, ich bin als Rittmeiſter verabſchiedet, ſtehe
jedoch auf halben Lieutenants-Sold, denn weiter hat
mich’s der Feind nicht bringen laſſen; und daß ich
als ſolcher kein Vermoͤgen zuruͤckgelegt habe, werden
Sie begreifen. Nun hab’ ich ein einziges Kind, eine
Tochter, dieſelbe, die mich geſtern Abend begleitete;
die iſt ſo arm, wie ihr Vater, und wenn ich ſterbe, iſt
ſie noch aͤrmer. Da ſind wir denn einig geworden,
ſie und ich, ſie ſoll verſuchen, eine vortheilhafte Stelle
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/203>, abgerufen am 26.07.2024.
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