Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Darauf blieb er die Antwort schuldig.

Und er begab sich hinter die Bühne, sie setzte sich
an den Kassentisch.



Das neue Jahr hatte übel begonnen für Drehers
Kasse. Jm Städtchen, wo sie nach E. zuerst ihr Glück
versuchen wollen, war es gar nicht gegangen; im
nächsten, wo sie jetzt weilten, ging es schwach; der
Zuspruch blieb sehr gering. Eines Abends stand An-
ton, der hinter der Szene bereits alle Utensilien zurecht
gelegt und also bis zum Beginn des Schauspiels noch
eine müßige Viertelstunde hatte, am Eingange des
Saales, die sparsam erscheinenden Ankömmlinge
musternd. Ein Offizier, an einem Krückenstock müh-
sam forthinkend, kam langsam die Treppe herauf;
ihn führte sorgfältig ein junges Mädchen. Die Be-
leuchtung war so schwach, daß unter dem engen Win-
terhute die Züge der Dame nicht zu erkennen waren.
Aber ihr Wuchs, ihre Gestalt, ihre Bewegung, --
Alles erinnerte Anton an Hedwig. Er sagte sich: "sie
ist es nicht! Sie kann es nicht sein! Wie käme sie
hierher? Wenn sie im Städtchen wohnte, würde ich
es längst wissen: nein, sie ist es nicht!"

Darauf blieb er die Antwort ſchuldig.

Und er begab ſich hinter die Buͤhne, ſie ſetzte ſich
an den Kaſſentiſch.



Das neue Jahr hatte uͤbel begonnen fuͤr Drehers
Kaſſe. Jm Staͤdtchen, wo ſie nach E. zuerſt ihr Gluͤck
verſuchen wollen, war es gar nicht gegangen; im
naͤchſten, wo ſie jetzt weilten, ging es ſchwach; der
Zuſpruch blieb ſehr gering. Eines Abends ſtand An-
ton, der hinter der Szene bereits alle Utenſilien zurecht
gelegt und alſo bis zum Beginn des Schauſpiels noch
eine muͤßige Viertelſtunde hatte, am Eingange des
Saales, die ſparſam erſcheinenden Ankoͤmmlinge
muſternd. Ein Offizier, an einem Kruͤckenſtock muͤh-
ſam forthinkend, kam langſam die Treppe herauf;
ihn fuͤhrte ſorgfaͤltig ein junges Maͤdchen. Die Be-
leuchtung war ſo ſchwach, daß unter dem engen Win-
terhute die Zuͤge der Dame nicht zu erkennen waren.
Aber ihr Wuchs, ihre Geſtalt, ihre Bewegung, —
Alles erinnerte Anton an Hedwig. Er ſagte ſich: „ſie
iſt es nicht! Sie kann es nicht ſein! Wie kaͤme ſie
hierher? Wenn ſie im Staͤdtchen wohnte, wuͤrde ich
es laͤngſt wiſſen: nein, ſie iſt es nicht!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0200" n="196"/>
        <p>Darauf blieb er die Antwort &#x017F;chuldig.</p><lb/>
        <p>Und er begab &#x017F;ich hinter die Bu&#x0364;hne, &#x017F;ie &#x017F;etzte &#x017F;ich<lb/>
an den Ka&#x017F;&#x017F;enti&#x017F;ch.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Das neue Jahr hatte u&#x0364;bel begonnen fu&#x0364;r Drehers<lb/>
Ka&#x017F;&#x017F;e. Jm Sta&#x0364;dtchen, wo &#x017F;ie nach E. zuer&#x017F;t ihr Glu&#x0364;ck<lb/>
ver&#x017F;uchen wollen, war es gar nicht gegangen; im<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;ten, wo &#x017F;ie jetzt weilten, ging es &#x017F;chwach; der<lb/>
Zu&#x017F;pruch blieb &#x017F;ehr gering. Eines Abends &#x017F;tand An-<lb/>
ton, der hinter der Szene bereits alle Uten&#x017F;ilien zurecht<lb/>
gelegt und al&#x017F;o bis zum Beginn des Schau&#x017F;piels noch<lb/>
eine mu&#x0364;ßige Viertel&#x017F;tunde hatte, am Eingange des<lb/>
Saales, die &#x017F;par&#x017F;am er&#x017F;cheinenden Anko&#x0364;mmlinge<lb/>
mu&#x017F;ternd. Ein Offizier, an einem Kru&#x0364;cken&#x017F;tock mu&#x0364;h-<lb/>
&#x017F;am forthinkend, kam lang&#x017F;am die Treppe herauf;<lb/>
ihn fu&#x0364;hrte &#x017F;orgfa&#x0364;ltig ein junges Ma&#x0364;dchen. Die Be-<lb/>
leuchtung war &#x017F;o &#x017F;chwach, daß unter dem engen Win-<lb/>
terhute die Zu&#x0364;ge der Dame nicht zu erkennen waren.<lb/>
Aber ihr Wuchs, ihre Ge&#x017F;talt, ihre Bewegung, &#x2014;<lb/>
Alles erinnerte Anton an Hedwig. Er &#x017F;agte &#x017F;ich: &#x201E;&#x017F;ie<lb/>
i&#x017F;t es nicht! Sie kann es nicht &#x017F;ein! Wie ka&#x0364;me &#x017F;ie<lb/>
hierher? Wenn &#x017F;ie im Sta&#x0364;dtchen wohnte, wu&#x0364;rde ich<lb/>
es la&#x0364;ng&#x017F;t wi&#x017F;&#x017F;en: nein, &#x017F;ie i&#x017F;t es nicht!&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0200] Darauf blieb er die Antwort ſchuldig. Und er begab ſich hinter die Buͤhne, ſie ſetzte ſich an den Kaſſentiſch. Das neue Jahr hatte uͤbel begonnen fuͤr Drehers Kaſſe. Jm Staͤdtchen, wo ſie nach E. zuerſt ihr Gluͤck verſuchen wollen, war es gar nicht gegangen; im naͤchſten, wo ſie jetzt weilten, ging es ſchwach; der Zuſpruch blieb ſehr gering. Eines Abends ſtand An- ton, der hinter der Szene bereits alle Utenſilien zurecht gelegt und alſo bis zum Beginn des Schauſpiels noch eine muͤßige Viertelſtunde hatte, am Eingange des Saales, die ſparſam erſcheinenden Ankoͤmmlinge muſternd. Ein Offizier, an einem Kruͤckenſtock muͤh- ſam forthinkend, kam langſam die Treppe herauf; ihn fuͤhrte ſorgfaͤltig ein junges Maͤdchen. Die Be- leuchtung war ſo ſchwach, daß unter dem engen Win- terhute die Zuͤge der Dame nicht zu erkennen waren. Aber ihr Wuchs, ihre Geſtalt, ihre Bewegung, — Alles erinnerte Anton an Hedwig. Er ſagte ſich: „ſie iſt es nicht! Sie kann es nicht ſein! Wie kaͤme ſie hierher? Wenn ſie im Staͤdtchen wohnte, wuͤrde ich es laͤngſt wiſſen: nein, ſie iſt es nicht!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/200
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/200>, abgerufen am 24.11.2024.